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Afrika: Hoffnung für beschnittene Frauen

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In vielen afrikanischen Ländern leiden Frauen unter Genitalverstümmelungen. Trotz Verboten sind Beschneidungsrituale immer noch verbreitet. Doch Ärzte bieten Hilfe zu einem besseren Leben an.

Häufig werden die Beschneidungen mit improvisierten Werkzeugen durchgeführt – das erhöht das Gesundheitsrisiko

Hadja Idrissa Bah will kein Opfer sein. Das junge Mädchen aus Guinea ist fest entschlossen, als Aktivistin gegen die Beschneidung weiblicher Geschlechtsorgane zu kämpfen. Das grausame Ritual ist trotz Verbot in ihrem Heimatland weit verbreitet: Laut UNICEF, dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, sind 97 Prozent der Frauen in Guinea beschnitten. “In vielen Gemeinden nähen sie sogar die Schamlippen zusammen, die in der Hochzeitsnacht aufgerissen werden”, erzählt die neunzehnjährige Hadja im DW-Interview. “Ich bin traumatisiert. Wenn mir jemand von Beschneidungen erzählt, fühle ich Ohnmacht und habe Angst – es isst mich auf.”

Das lebhafte Mädchen trägt einen hellgelben Turban und eine rot-blau karierte Bluse. Sie wirkt voller Tatendrang. Hadja hat einen Club gegründet, um junge Mädchen aufzuklären. So will sie andere vor dem großen Leid der Genitalverstümmelung bewahren. “Ich war wütend auf meine Eltern, denn sie haben mich verraten”, erinnert sich Hadja. “Sie erzählten mir nicht, wohin ich gebracht wurde – angeblich sollte ich Ferien machen. Dann war ich dieser Sache ausgesetzt.”

Trotz Verboten werden in vielen afrikanischen Ländern Mädchen immer noch beschnitten

Frauen gelten als unrein

In vielen afrikanischen Ländern gelten Mädchen und Frauen nach traditionellem Glauben als unrein, wenn ihre Geschlechtsorgane vollständig vorhanden sind. “Eltern fürchten, sie finden keinen Ehemann. Viele Frauen denken selbst, ihr Zustand sei normal”, sagt Mariatu Tamimu im DW-Interview. Sie ist Ärztin in Sierra Leone und behandelt die gesundheitlichen Folgen von Beschneidungspraktiken.

Die Verletzungen der rituellen Beschneidungen können dabei unterschiedlich schwer ausfallen. Allen gemein ist, dass die äußeren weiblichen Genitalien teilweise oder vollständig entfernt werden. Oft wird der Eingriff unter unhygienischen Bedingungen, ohne Narkose und mit einfachen Hilfsmitteln wie Glasscherben oder Rasierklingen durchgeführt. “In unserer Frauenklinik in der Stadt Bo operieren wir häufig Fisteln, die sich als Folge der Verstümmlung gebildet haben. Oft ist auch der Geburtskanal verschlossen. Wir öffnen ihn, damit die Frauen ihre Kinder gebären können”, so die 32-jährige Ärztin.

“Es geht nur um das Vergnügen der Männer”, sagt Tamimu. “Die Klitoris wird abgeschnitten, weil der Glaube verbreitet ist, die Frauen gingen sonst fremd”. Mit Religion habe das nichts zu tun. Manche Frauen könnten ein normales Leben nach dem Eingriff leben, wieder schwanger werden. “Aber die meisten sind extrem geschädigt”, sagt Tamimu.

Alternative Rituale für Mädchen

Auch in Kenia ist die Beschneidung der weiblichen Geschlechtsorgane verboten, dennoch findet sie in vielen Gemeinden stillschweigend statt. Denge Lugayo betont deshalb, dass die ganze Gemeinde mit eingebunden werden müsse, um langfristig die gefährlichen Rituale abzuschaffen. Lugayo arbeitet bei der afrikanischen Nichtregierungsorganisation Amref Health Africa, die mit verschiedenen Mitteln gegen weibliche Genitalverstümmelung kämpft.

Ein Ansatz seiner Organisation seien etwa alternative Übergangsrituale. “Den Übergang der Mädchen zur Frau feiern wir mit allen traditionellen Schritten in den Dörfern, aber ohne Beschneidung”, erklärt Lugayo. Auch Aufklärung in Schulen sei wichtig, genauso wie alternative Beschäftigungsprogramme für die Frauen, die die Beschneidungen durchführen. “Wenn wir diese Barbarei in Zukunft abschaffen wollten, müssen wir auch die Beschneiderinnen berücksichtigen und ihnen andere Einkommensquellen schaffen. Darüber sprechen wir auch mit ihnen. Sie können beispielsweise Seife oder Binden für Mädchen herstellen.”

Berliner Klinik hilft Migranten

Die Aufklärungsarbeit in Afrika sei notwendig, aber schwierig, sagt Cornelia Strunz. Seit vier Jahren behandelt die Chirurgin im Berliner Waldfriede-Krankenhaus Frauen, die Opfer von Genitalverstümmelungen wurden. Mit ihrem Team führt sie im “Desert Flower Center” rekonstruktive Operationen durch und bietet auch psychosoziale Hilfe und Beratung an. “Die meisten Frauen sind Migrantinnen aus afrikanischen Ländern und sprechen hier erstmals über ihr Schicksal”, erklärt Strunz im DW-Interview. “Sie leiden durch Schmerzen an den Narben, an der Klitoris oder sind komplett zugenäht, Geschlechtsverkehr ist oft gar nicht möglich. Fisteln sind ein sehr häufiges Erscheinungsbild, die sich zwischen Scheide und Enddarm gebildet haben.”

Viele Betroffene würden schon länger in Deutschland leben, andere kämen aus ganz Europa zur Behandlung in die Klinik. Für die Frauen ist die Behandlung kostenfrei, ermöglicht wird das durch die “Desert Flower Foundation” der Somalierin Waris Dirie. Das Supermodel ist selbst von Genitalverstümmelung betroffen und ist mit ihrem Buch “Wüstenblume” bekannt geworden. “Vielen Frauen können wir zu einem besseren Leben verhelfen”, sagt Strunz. Ein Hoffnungsschimmer für Betroffene auf der ganzen Welt.

Mitarbeit: Annabelle Steffes-Halmer, Bob Barry

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