Wirtschaft

Bundesregierung lässt Bankkunden im Stich

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Bundesfinanzministerium setzt EU-Richtlinie nicht, die ein staatlich zertifiziertes Vergleichsportal für Bankgebühren vorschreibt.

Gebühren lauern für Bankkunden überall. Wer es genauer wissen will, muss die Kosten selber vergleichen.

Ob Überweisungen in Echtzeit, die Einzahlung von Münzen oder Kontoauszüge per Post: Extrawünsche können Girokonten zur Kostenfalle machen. Denn in Zeiten der niedrigen Zinsen haben sich Banken einige Modelle einfallen lassen, um Geld zu verdienen. Geht es nach einer geltenden EU-Richtlinie, muss die Bundesregierung die Verbraucher davor schützen – und zwar mit einem staatlich zertifizierten Vergleichsportal. Darüber sollen Kunden auch versteckte Kosten von Girokonten schnell einsehen können. Doch das Portal lässt bereits seit einem halben Jahr auf sich warten.

Eigentlich verlangt das sogenannte Zahlungskontengesetz schon seit dem 31. Oktober 2018 nach einer solchen Plattform, nachdem die EU-Richtlinie als nationales Gesetz in Kraft getreten ist. Dass die Vergleichswebsite immer noch nicht existiert, hat einen bizarren Grund: Bislang hat sich noch keine deutsche Prüfstelle wie der TÜV oder die Dekra gefunden, um eine Plattform zu zertifizieren. Wer nämlich eine Zertifizierung ausstellen will, muss vorher selbst ein Prüfverfahren bei der Deutschen Akkreditierungsstelle (DAkkS) durchlaufen. Und das scheint für Prüfstellen nicht besonders attraktiv zu sein.


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Für Prüfstellen erscheint die Aufgabe unattraktiv

Zwar sei ein Verfahren bereits im Gange. Wie lange es sich noch hinziehen wird, kann die DAkkS aber nicht sagen. „Die Dauer ist immer auch von Faktoren abhängig, die wir nicht beeinflussen können“, erklärt ein Sprecher auf Anfrage. Zudem sei die Stelle dazu verpflichtet, eingereichte Zertifizierungsprogramme mit großer Sorgfalt zu prüfen – was insbesondere in so komplexen Fällen viel Zeit in Anspruch nimmt. Welche Prüfstelle am laufenden Verfahren teilnimmt, wollte die Akkreditierungsstelle nicht kommentieren. Im Dezember war bekannt geworden, dass der TÜV Saarland entsprechende Unterlagen eingereicht hat.

Doch auch nach erfolgreicher Akkreditierung dürfte noch einige Zeit vergehen, bis die Vergleichsseite online geht. Denn erst dann kann das eigentliche Zertifizierungsverfahren zwischen Prüfstelle und Plattformbetreiber beginnen. Das zuständige Bundesfinanzministerium verweist bei Fragen zum aktuellen Stand auf die DAkkS. Bei der Akkreditierungsstelle will man für die Verzögerungen aber nicht verantwortlich sein: „Wir wären auch schon deutlich früher im Jahr 2018 in der Lage gewesen, Anträge zu bearbeiten“, heißt es dort. Allerdings sei der erste Antrag erst sehr spät eingegangen.

Verbraucherschützer kritisieren die Bundesregierung

Verbraucherschützer sehen in den Verzögerungen ein Versagen der Politik: „Erst muss die Bundesregierung von der europäischen Ebene zu mehr Verbraucherschutz getragen werden, und dann gelingt es ihr noch nicht einmal, das Ganze rechtzeitig umzusetzen“, sagt Gerhard Schick, ehemaliger Grünen-Finanzexperte und Vorstand der Bürgerbewegung Finanzwende. Die Bundesregierung lasse die Menschen im Regen stehen. Schließlich seien die Kontogebühren in den vergangenen Jahren immer unübersichtlicher geworden, was objektive Vergleichsplattformen noch wichtiger mache.

Die Bundesregierung hatte sich damals für ein privatwirtschaftliches Modell entschieden, nach dem ein bereits bestehender Anbieter wie Check24 oder Verivox zertifiziert werden könnte. Eine staatlich betriebene Plattform war damit vom Tisch. Wer eine Zertifizierung erhalten will, ist aber an gesetzliche Vorgaben gebunden: So muss die Plattform die Kontoanbieter in den Ergebnislisten gleich behandeln. Zahlen Banken für die Vermittlung etwa eine Provision an den Betreiber, dürfen deren Angebote deswegen nicht prominenter platziert werden. Zudem müssen die Plattformen genügend Angebote enthalten, um einen Großteil des Marktes abzudecken. Hinzu kommt eine Mindestzahl an Kriterien, mit denen sie vergleichen müssen.

Auch ohne Zertifizierung bieten viele Onlineportale schon einen Vergleich von Girokonten an. Über die sogenannten Entgeltinformationen können Kunden aber auch selbst vergleichen. Denn ebenfalls seit einem halben Jahr müssen Banken auf ihren Internetseiten über ihre Kontopreise informieren – anschaulich und verständlich. So will es das Zahlungskontengesetz. Außerdem bekommen Kontoinhaber von ihrer Bank mindestens einmal im Jahr eine Aufstellung darüber, wie viel das Girokonto sie tatsächlich gekostet hat.

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