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Das schleppende EU-Engagement im Sahel

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Die Sicherheitslage in der Sahel-Zone verschlechtert sich. Die Europäische Union unterstützt die Region finanziell und militärisch. Langfristig sollen die Staaten dort eine Schutztruppe aufbauen. Doch das braucht Zeit.

Soldaten der G5-Einsatztruppe in Mauretanien an der Grenze zu Mali

Die Wände sind noch kahl in dem langgezogenen Raum, ganz am Ende sitzt Jean-Marc Gravellini, seine Stimmt hallt ein wenig, wenn er spricht. Das neue Koordinationsbüro der Sahel-Allianz am Rande des EU-Viertels in Brüssel hat erst Mitte Mai eröffnet – und es ist noch viel zu tun. Nicht nur, was die Einrichtung des Büros angeht.

Gravellini ist Koordinator der Sahel-Allianz, die 2017 von Deutschland, Frankreich und der Europäischen Union gegründet wurde. Kurz danach schlossen sich die Weltbank, die Afrikanische Entwicklungsbank und das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) an, inzwischen sind auch noch einige weitere EU-Länder an Bord.

Initiiert haben das Projekt die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Emmanuel Macron. Es soll unter anderem eine Antwort sein auf die sich verschlechternde Sicherheitslage in der Sahel-Region. In Mali beispielsweise haben sich militante Islamisten nach der französischen Militärintervention 2013 neu aufgestellt, ihre Anschläge üben sie vermehrt auch in den vorher eher ruhigen Nachbarländern Burkina Faso und Niger aus.

Gravellini will von Brüssel aus dafür sorgen, dass die Koordination der Entwicklungszusammenarbeit besser klappt, um “effizienter und schneller” voranzukommen: “Es heißt oft, dass man den Krieg gegen den Terrorismus nicht gewinnen kann, wenn man den Krieg der Entwicklung nicht gewinnt”, sagt er. Das sei die schwierigste Aufgabe. Die zweite Herausforderung: Wie können Projekte auch in sehr gefährlichen Gebieten, vor allem in den Grenzgebieten, umgesetzt werden – gerade da, wo die Bevölkerung am meisten leidet? Gravellinis Antwort darauf: unbürokratischeres Vorgehen, ohne große Anträge. Und: mehr Zusammenarbeit mit NGOs und der Zivilgesellschaft vor Ort.

Die Sahel-Region als “strategische Priorität”

Die EU hat der Sahel-Zone von 2014 bis 2020 acht Milliarden Euro an Entwicklungshilfe zugesagt und bezeichnet die Region als “strategische Priorität”. Besonders bemerkbar war das Mitte Mai, als sich über mehrere Tage verteilt die Außen-, Verteidigungs- und Entwicklungsminister der EU-Staaten zu diesem Thema in Brüssel untereinander austauschten – an einem der Tage auch mit ihren Counterparts aus der Sahel-Region, aus Mali, Burkina Faso, Niger, Mauretanien und Tschad.

Die Außen-und Verteidigungsminister der EU-Staaten und der G5-Sahel-Staaten in Brüssel

Bei dem Treffen ging es vor allem um den Aufbau der G5-Sahel-Truppe, eine Taskforce der fünf afrikanischen Länder, die seit 2014 für mehr Sicherheit in der Region sorgen soll. Die Außenbeauftragte der EU, Federica Mogherini, sagte in Brüssel sehr unkonkret, der Austausch mit den G5-Ministern sei “sehr gut gewesen”, “sehr ehrlich und konstruktiv”. Man wolle die Zusammenarbeit fördern. Die sei nämlich für die Sicherheit und Stabilität Europas essenziell.

Genau damit beschreibt Mogherini den Hauptgrund, warum sich die EU seit wenigen Jahren mehr in der Sahel-Zone engagiert. “Die Sahel-Region ist sehr nahe an Europa”, sagt Pierre Vimont vom Brüsseler Thinktank Carnegie Europe. Neben radikalen Milizen seien auch Menschen-, Drogen- und Waffenhandel sowie eine schlechte wirtschaftliche Lage ausschlaggebend dafür, dass die Region für die EU zum “erheblichen Anliegen” geworden sei.

Dabei spiele für die Europäische Union natürlich das Thema Migration eine herausragende Rolle, sagt der Franzose Vimont. Die EU wolle verhindern, dass Menschen aus der Sahel-Zone sich auf den Weg nach Europa machten.

Eine Maßnahme sei, die Sahel-Staaten militärisch zu unterstützen. Federica Mogherini zufolge sind von der EU 147 Millionen Euro für den Aufbau der 5000 Soldaten umfassenden G5-Truppe geflossen. Vor einem Jahr hatten die Europäische Union und weitere Staaten insgesamt 414 Millionen Euro zugesagt.

Auf langfristige Ziele setzen

Bislang sind vor allem französische Truppen, aber auch Soldaten aus anderen EU-Ländern und UN-Truppen in der Region im Einsatz. Auf lange Sicht hofft die Europäische Union aber, dass die G5-Taskforce ganz übernimmt, damit die internationalen Truppen abziehen können.

Die Außenbeauftragte der EU Federica Mogherini vor den Flaggen der Sahel-Staaten beim Treffen in Brüssel

Aber: “Das wird seine Zeit dauern”, sagt der Diplomat Vimont. “Man muss diese Truppen erst trainieren und ihnen dann dabei helfen, sich gegenseitig zu koordinieren.” Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur ist das momentan nicht der Fall. Auf Seiten der G5-Staaten gebe es schwerwiegende Defizite in der Kommunikation. Die beteiligten afrikanischen Staaten kritisierten ihrerseits, dass manche Staaten ihre Versprechen,in Sachen Finanzierung nicht eingehalten hätten. Dabei handle es sich nach Angaben aus EU-Kreisen aber um Länder wie Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate – und nicht die EU-Staaten.

Es werde mehrere Jahre dauern, bis die Streitkräfte in der Region umfassend einsatzfähig seien, sagt Vimont dazu. Um wirklich an die “Wurzel der Probleme” zu kommen, müsse die Zusammenarbeit zwischen der EU und der Sahel-Zone auf lange Sicht angelegt werden. Das sei das Schwierigste. Die EU könne dies zum Beispiel unterstützen, indem sie die Preise der Rohstoffe verbessert, die die Länder exportieren, oder den Ausbau von Stromnetzen vorantreibt. Aber, so Vimont: “Die europäischen Länder wünschen sich natürlich schnelle Ergebnisse.”

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