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Das Thema Europa soll der EU-kritischen AfD helfen

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Kritik an der Europäischen Union ist unter Populisten populär. Das hat nun auch die AfD für sich wiederentdeckt. Doch nicht nur für die Europawahl im Mai soll damit ein gutes Wahlergebnis eingefahren werden.

Die deutschen Rechtspopulisten von der “Alternative für Deutschland” (AfD) sind in ein spannungsreiches neues Jahr gestartet. Denn noch immer ist nicht entschieden, ob der Verfassungsschutz die Partei beobachten will. Und: In Umfragen verharrt die AfD bei ungefähr 15 Prozent. Neue bürgerliche Schichten fühlen sich, anders als erhofft, bislang nicht angesprochen. Dabei stehen wichtige Wahlen an.

Die Parteiführung hat deshalb für 2019 – frei zusammengefasst – die Maxime “Mäßigung” ausgegeben. Die erste wichtige Wahl des Jahres sind die Wahlen zum EU-Parlament im Mai. “Es geht schließlich darum, neue Wähler zu erreichen”, sagte Beatrixe von Storch, Mitglied des Parteivorstands, beim AfD-Europawahl-Parteitag in Riesa, nahe der sächsischen Landeshauptstadt Dresden. Bürgerlichen Wählern müsse signalisiert werden, “wir sind Realisten und keine Utopisten”. Einen neuen Realismus haben auch die Parteivorsitzenden Alexander Gauland und Jörg Meuthen (Foto) ausgerufen.

Wenn manche in der AfD, die mit diesem Kurs nicht einverstanden sind, freiwillig gehen, wie jüngst der Fall Andre Poggenburg zeigt, heult dem öffentlich niemand eine Träne hinterher.

AfD will Europa-Parlament ersatzlos streichen

Doch die AfD hat einen selbstbewussten Mittelbau. Die rund 500 Delegierten des Parteitages machten es der Führung nicht ganz so einfach, ihren neuen smoothen Kurs durchzuziehen. Im verabschiedeten Wahlprogramm steht nun einiges drin, was die Parteiführung nicht wollte.

So soll es zukünftig kein EU-Parlament mehr geben – und anders als von Meuthen, Spitzenkandidat für die Europawahl, gewollt, auch keine Ersatz-Versammlung mit 100 Delegierten. Als Begründung heißt es bei der AfD: Gesetze sollten ausschließlich in nationalen Parlamenten verabschiedet werden. Da brauche es kein Parlament auf EU-Ebene. EU-Rat und Kommission aber sollen bestehen bleiben.

Laut Umfragen könnten 15 AfD-Abgeordnete ins EU-Parlament einziehen, doppelt so viele wie bei der letzten Wahl 2014

Dass aber die AfD – über zwei Parteitage verteilt – ganze fünf Tage verwendet hat, eine Kandidatenliste für das EU-Parlament aufzustellen, lässt einen Schluss zu: Trotz aller Feind-Rhetorik scheint die AfD die EU ziemlich ernst zu nehmen.

Erstmal kein Dexit

Ein anderer schon vorab medial angedrohter Paukenschlag fand dagegen keine Mehrheit. Die AfD fordert nun doch nicht, dass Deutschland nach einer Legislaturperiode aus der EU austreten solle – so sich die EU nicht grundlegend reformiert. Die AfD-Programmkommission hatte das eigentlich ins Wahlprogramm geschrieben.

Parteichef Alexander Gauland warnte vor einem Dexit

Vor der Abstimmung dazu aber ergriff Gauland das Wort und warnte eindringlich: Es brauche eine “von bürgerlicher Vernunft geprägte Europa-Politik und keinen Eskapismus”. Der Brexit sei kein Vorbild für einen Dexit. Auch weil ein deutscher Sonderweg den Nachbarn schon immer “unheimlich” gewesen sei.

Die Option “Dexit” ist trotzdem nicht ganz vom Tisch, sondern steht als unwahrscheinliche Option und ohne Zeitfenster im Programm. Dagegen hat wohl auch die Parteiführung nichts. Politischen Druck aufbauen ja, aber bloß keine Wähler verschrecken. Zudem eine 15-Prozent-Partei wie die AfD sowieso nicht die politische Macht hätte, einen Dexit durchzusetzen. Auch, weil 70 bis 80 Prozent der Deutschen der EU weiterhin positiv gegenüber eingestellt sind.

Mit dem Euro bleibt die AfD weiterhin, wie in anderen Programmen bereits festgehalten, auf Kriegsfuß. Der Euro sei eine Fehlkonstruktion, heißt es. Deshalb müssten nationale Währungen wieder eingeführt werden, allerdings parallel zum Euro.

Anders als bei Parteitagen zuvor verliefen die Diskussionen eher ruhig

AfD hat dennoch eine Vision von Europa

Ein roter Faden durchzieht die Europa-Politik der AfD: Europa soll ein Club der Vaterländer werden und sich auf wirtschaftliche Zusammenarbeit beschränken. EU-Steuern, eine EU-Armee, Frontex, Hilfe für strukturschwache Länder oder EU-Gesetze für Lebensmittel und vor allem eine Verteilung von Flüchtlingen soll es keine mehr geben.

Es gibt sogar eine Hoffnung, die die AfD mit Europa verbindet. Vielleicht lassen sich in Brüssel ja Verbündete finden, die es unter den Parteien in Deutschland bislang nicht gibt. Allerdings rechnet Meuthen nicht damit, dass sich aus den aktuell drei EU-kritischen Fraktionen im EU-Parlament gleich ein großer gemeinsamer Freundesclub schmieden lässt.

Als potentielle Partner gelten die Lega Nord, die FPÖ, Orban und die PIS. “Einfach allerdings werde das nicht”, sagte Meuthen. Schließlich gebe es zum Beispiel im Verhältnis zu Russland oder in der Flüchtlingspolitik verschiedene Interessenlagen.

Wahlen: Nach dem Frühling kommt der Herbst

50 Seiten sich, viel Programm – nicht nur für die EU-Wahl

Das EU-Wahlkampfpapier der AfD ist 50 Seiten dick und auch inhaltlich breit angelegt. Es umfasst selbst Regeln für Heilpraktiker, Familienpolitik und auswärtige Kulturpolitik. Das gängige Image, eine Ein-Thema-Partei zu sein, fokussiert auf Migrationspolitik, will man so korrigieren.

Die EU bietet sich dafür an. Schließlich war die Kritik an der Eurorettungspolitik der EU Gründungsthema der AfD im Jahr 2013. Die EU-Skepsis gehört zur Partei-DNA.

Doch das Wahlprogramm will noch mehr. Es ist in seiner Breite, die in Teilen über die EU hinausgeht, auch schon für die anderen wichtigen Wahlen des Jahres 2019 geschrieben.

Im Herbst werden in drei ostdeutschen Bundesländern, schon jetzt AfD-Hochburgen, neue Länderparlamente gewählt. Die AfD könnte dort sogar stärkste Kraft werden. Das wäre eine Zäsur, auch wenn sich wohl kein Koalitionspartner finden wird, mit dem die AfD regieren könnte.

Stimmungsbild vor wichtigen Wahlen

Junge AfD-Politiker aus der Region, mit Familie und Job und “ganz normal” wie sie sagen, erzählen am Rande des Parteitages, wie sehr sie auf diese Wahl hoffen. Inzwischen gebe es doch kein Politikfeld mehr, das richtig gut funktioniere. Die Abwanderung aus der Region sei noch immer hoch, die Stimmung bei den Dagebliebenen schlecht. Die Medien würden einseitig berichten. So viel Pessimismus unter jungen Menschen kann erklären, warum die AfD im alten Osten Deutschlands so stark ist.

Tristesse am Ufer der Elbe zwischen den beiden Städten Meißen und Riesa in Sachsen

Abseits der Zentren ist das Leben dort oftmals trist, selbst in Riesa an der schönen Elbe, dem Ort der Europawahlversammlung, dort wo Dresden eigentlich nicht weit weg ist. Man kann es manchen Gegenden geradezu ansehen, dass sie AfD-Hochburgen sind.

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