Wirtschaft

Die Spannung steigt

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Im Jahr 2019 soll der Funke der Elektromobilität endlich auch hierzulande überspringen. Wie sich eine Berliner Fahrschule, die Einsatzkräfte der Feuerwehr und Kfz-Werkstätten darauf vorbereiten.

Neue Technik. Auszubildende beim Autobauer Porsche an einem Modell eines Hybridsystems.

Carmen ist sich nicht sicher: Läuft der Motor des Elektro-Golfs schon? Fahrlehrer Frank Löffler deutet auf das Display im Armaturenbrett. Ein Schaubild zeigt, dass Strom von der Batterie zum E-Motor fließt. Die Fahrstunde kann beginnen. Die 27-Jährige gibt Gas und kichert: So sportlich, wie der elektrische VW losfährt, sieht er gar nicht aus.

„Den Kunden von morgen muss man die Technik noch erklären“, sagt Fahrlehrer Löffler. E-Autos fahren sich wie ein Automatikwagen, nur dynamischer. Unter dem Blech aber ist fast alles anders als bei einem Diesel oder Benziner. „Strom tanken, der Antrieb, Energie-Rekuperation beim Bremsen – all das ist Bestandteil der Ausbildung“, sagt Löffler. Elektromobilität ist auch in der Fahrschule noch ungewohnt. – Carmen stoppt an einer Kreuzung, ein Auto kommt von rechts. Sie ist unschlüssig. „Was gilt auch in einem Elektroauto?“, fragt Löffler und gibt die Antwort selbst: „Rechts vor links.“

Dass ein Fahrschüler gerne mit einem E-Auto üben möchte, kommt bei Zöllner, der größten deutschen Fahrschule, selten vor. „Die Nachfrage ist sehr gering“, sagt Harald Pohlmann, Inhaber des Unternehmens mit rund 100 Mitarbeitern in Berlin, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Dennoch hat er schon vor zwei Jahren drei E-Autos in die Flotte aufgenommen. „Wir stehen vor einem grundlegenden Wandel“, sagt Pohlmann. „Wir kümmern uns um diese Innovation.“

Keine E-Autos mit Anhängerkupplung

Zöllner bildet viele Bus- und Lkw-Fahrer aus. In diesem Segment ist Elektromobilität noch exotisch – und die technischen Hürden sind höher als bei Pkw. Nicht nur, weil es kaum Fahrzeuge gibt. „Wir würden gerne einen E-Bus in der Schulung einsetzen“, sagt Pohlmann. „Aber wo soll ich den aufladen?“ Die Batterie des E-Golf kann über Nacht an einer Wallbox „vollgetankt“ werden, bei einem großen Nutzfahrzeug ist das nicht möglich. Auch die Anhängerausbildung mit einem Elektroauto scheitert an einer banalen Tatsache: „Es gibt keine E-Autos mit Anhängerkupplung“, sagt Pohlmann.


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Wenig Praxis im Umgang mit Elektroautos haben auch die Einsatzkräfte der Feuerwehr. Das kann für sie und für verletzte Personen im Ernstfall lebensgefährlich werden. Denn die Feuerwehrleute setzen sich bei Lösch- oder Bergungsarbeiten Gefahren aus, die bei Unfällen mit herkömmlichen Fahrzeugen nicht auftreten: Starkstrom von bis zu 1000 Volt und Batteriebrände mit teilweise extrem hohen Temperaturen.

Anhand eines „Rettungsdatenblatts“, das über den Elektroantrieb und die Komponenten der Hochvoltanlage informiert, werden auch die Mitarbeiter der Berliner Feuerwehr in der „Kennzeichenabfrage“ geschult. Das heißt: Sie lernen, wo und wie man im Ernstfall das E-Auto „entschärft“ und die Batterie vom Bordnetz trennt – für den Fall, dass es beim Unfall nicht zu einer automatischen Abschaltung gekommen ist, etwa, als die Airbags ausgelöst wurden. Serienfahrzeuge seien außerdem grundsätzlich „eigensicher“, wie die Feuerwehr erklärt. „Das bedeutet, dass mehrere voneinander unabhängige Sicherungseinrichtungen und Abschirmungen vorhanden sind.“ So ist das Hochvoltsystem galvanisch vollkommen von der Karosserie getrennt. Die dicken, spannungsführenden Leitungen sind feuerrot ummantelt. Eine „Personengefährdung durch einen elektrischen Schlag“, versichert die Feuerwehr, sei „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ auszuschließen.

Batterien brennen lange

Ist allerdings eine Lithium-Ionen-Batterie in Brand geraten, kann es an anderer Stelle gefährlich werden. Zwar seien Wasser oder spezieller Schaum auch bei brennenden E-Autos zum Löschen geeignet, teilt die Feuerwehr mit. Wegen der hohen Temperaturen und möglicher chemischer Reaktionen müssten aber „ausreichende Löschmittelreserven“ zur Verfügung stehen. Es kann also länger dauern. Probleme bereitet das Lithium. Reagiert es mit Löschwasser oder anderen Batterieflüssigkeiten, kann Wasserstoff entstehen – und der entzündet sich explosionsartig. Das Feuer bricht also immer wieder neu aus. Doch die Experten bleiben auch hier cool. „Das Problem sehr hoher Temperaturen ist für die Feuerwehren nicht neu, seitdem Leichtmetalle im Fahrzeugbau Verwendung finden.“

Um Leib und Leben kann es auch andernorts gehen – zum Beispiel, wenn in der Kfz-Werkstatt bei der Reparatur eines Elektrowagens etwas schiefläuft. „Man sollte an der Hochvoltanlage keinen Fehler machen“, sagt Daniel Kessler, Kfz-Mechaniker in der Volkswagen-Niederlassung in der Franklinstraße. Sonst heiße es: Plus an Masse, das knallt klasse. Ein Werkstatt-Spruch über falsch gelegte Kabel, der bei 1000 Volt Spannung tödlicher Ernst werden kann.

Daniel Kessler hat eine Zusatzausbildung zum Hochvoltexperten hinter sich, im Wolfsburger Werk. Er ist bislang der einzige Mechaniker in der Berliner Niederlassung, der – ausgestattet mit speziellen Handschuhen, Sicherheitsschuhen und Helm – eine E-Auto-Batterie zerlegen darf. Wird ein Elektroauto montiert, wird der Bereich abgesperrt, zusätzliche Warnschilder weisen auf die Gefahrenzone hin. „Damit jeder weiß, wer was macht“, sagt Kessler. Zwei weitere Kollegen sind ausgebildete Hochvolttechniker, die Batterien und Ladegeräte ausbauen, aber nicht zerlegen dürfen. Vier Azubis bereiten sich auf die Elektrowelle vor, die nach dem Willen des VW-Konzerns Ende 2019/Anfang 2020 auf den Markt rollen soll. Bis 2025 will die Marke VW 20 rein- elektrische Modelle im Programm haben und eine Million pro Jahr verkaufen. Spätestens dann dürfte auch in der Berliner Werkstatt mehr los sein als heute.

“Branche steht in den Startlöchern”

Unweit des VW-Autohauses baut Mercedes am Salzufer seinen großen Standort für 50 Millionen Euro aus. Elektromobilität soll auch hier ein zentraler Bereich werden, alle Vertriebs-, Service- und Dienstleistungsangebote der neuen Marke „EQ“ werden hier künftig verfügbar sein. Für die Arbeiten am Hochvoltsystem wird der Betrieb ausgerüstet und ausgebildet, die Mitarbeiter durchlaufen spezielle Trainings, etwa zu den Themen Sicherheit, Spannungsfreischaltung oder Diagnose der Hochvolt-Komponenten. „Das Thema Elektromobilität stößt auf sehr großes Interesse“, sagt eine Sprecherin. Zu den technischen Vorkehrungen gehörten unter anderem die speziellen Sonderwerkzeuge für Hybrid-, Plug- In-Hybrid- und rein batteriebetriebene Elektrofahrzeuge oder Brennstoffzellen.

„Das ganze Gewerbe steht in den Startlöchern“, weiß Dieter Rau, Geschäftsführer der Kfz-Innung Berlin mit 400 Mitgliedsfirmen. Er schätzt, dass etwa 80 Prozent der Betriebe in der Region „gut gerüstet“ sind für die Elektromobilität. Schon 2013 wurde die Ausbildungsverordnung entsprechend angepasst, der ohnehin begehrte Beruf des Kfz-Mechatronikers bekam eine neue Dimension. Wie viele Jobs in der Region durch die technisch weit weniger komplexe E-Mobilität in Gefahr geraten, ist offen. Bundesweit könnten es bis zum Jahr 2035 nach einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) mehr als 100 000 sein.

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