Wirtschaft

EU-Klimakommissar in der Kritik

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Lobbycontrol warnt vor dem Einfluss von Unternehmen auf die EU-Gesetzgebung. Im Visier: Das Ressort von Klimaschutz- und Energiekommissar Miguel Arias Cañete.

Miguel Arias Cañete wird zu große Nähe zu Unternehmen vorgeworfen.

Zwischen November 2014 und März 2019 gab es insgesamt 703 Treffen von Unternehmenslobbyisten mit Vertretern der Generaldirektion Klima und Energie von EU-Kommissar Miguel Arias Cañete. Dem standen lediglich 94 Treffen mit Umweltorganisationen gegenüber. Das geht aus dem „EU-Lobbyreport 2019“ hervor, den der Verein Lobbycontrol am Montag in Berlin vorgestellt hat. Die in Köln ansässige Initiative sieht in dem Verhältnis von 88 Prozent zu 12 Prozent bei Cañete ein besonders deutliches Beispiel für die intensiven Versuche von Unternehmenslobbyisten, die Arbeit der EU-Kommission zu beeinflussen.

Cañete hat sich unter Klimaschützern einen relativ guten Ruf erarbeitet – obwohl sein Team sich häufiger mit Vertretern der Energieindustrie trifft als mit Umwelt- oder Klimaschutzorganisationen. Die Generaldirektion Klima und Energie (Cañete) wie auch die Generaldirektion Energieunion im Verantwortungsbereich des Vizepräsidenten der EU-Kommission, Maroš Šefčovič, gehören zu den Ressorts mit dem höchsten Anteil von Konzernvertreterkontakten.


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Bei Klima und Energie waren es knapp über 75 Prozent, bei der Energieunion knapp unter 75 Prozent aller Unterredungen. Zum Vergleich: An der Spitze standen die Generaldirektionen Binnenmarkt sowie Euro und Finanzmärkte mit mehr als 80 Prozent, am wenigsten Unternehmenskontakte hatten die Generaldirektionen Entwicklung und Humanitäre Hilfe mit weniger als 30 Prozent. Lobbycontrol beruft sich bei diesen Zahlen auf das Transparenzregister der EU-Kommission.

„Auf Ausgewogenheit achten“

Die Autorin des Reports, Nina Katzemich, kritisierte die Unternehmenslastigkeit der Generaldirektion Klima und Energie. Bei deren Lobbytreffen kämen acht Unternehmensvertreter auf einen Umweltaktivisten, sagte Katzemich im Gespräch mit Tagesspiegel Background. „Wir fordern eine kritische Distanz der politischen Akteure zu den Unternehmen, die sie regulieren sollen.“ Dazu gehöre, dass die Personen nicht aus derselben Branche stammen dürften. Das sei bei Cañete, der aus der Ölbranche stamme, nicht gegeben.

„Auch sollten sie dazu verpflichtet werden, auf Ausgewogenheit bei ihren Lobbytreffen zu achten“, sagte Katzemich. Wenn die Kommission Expertise einhole, müsse sie sicherstellen, dass nicht die Industrien den Großteil des Sachverstandes lieferten, für die gerade neue Regeln geschaffen werden sollten.

Cañete, der vor seinem Amtsantritt Anteile an den spanischen Erdöl-Logistikunternehmen Petrolífera Ducar und Petrologis Canaris hielt, gilt als Freund der Öl- und Gasbranche und als Verfechter eines Ausbaus der europäischen Gasinfrastruktur. Die Organisation Corporate Europe Observatory (CEO) wirft in einer 2017 veröffentlichten Studie sowohl Cañete als auch Šefčovič eine „Politik der offenen Tür“ gegenüber Industrielobbyisten seit ihrem Amtsantritt im Jahr 2014 vor.

Die Industrie habe im Jahr 2016 mehr als 100 Millionen Euro ausgegeben, „mehr als 1000 Lobbyisten und eine Armee von PR- und Lobby-Beratungsunternehmen“ ausgesandt, um unter anderem Veranstaltungen im Europäischen Parlament und hochrangige Treffen mit EU-Klima- und Energiekommissaren zu organisieren.

Im Herbst 2018 ließ Cañete Berichten der Süddeutschen Zeitung zufolge von einem Vorstoß für ehrgeizigere EU-Klimaziele ab, nachdem einzelne Staaten, aber auch der europäische Industrieverband Business Europe dagegen opponierten. Bei Business Europe beobachtet Lobbycontrol in Energiefragen zwei Grundargumentationen: Zum einen führe die Organisation den Erhalt von Arbeitsplätzen ins Feld. Zum anderen warne sie, europäische Unternehmen würden auf dem Weltmarkt benachteiligt.

ExxonMobil hat weiter Zugang zum Parlament

Unterdessen hat im Europäischen Parlament ein US-amerikanisches Unternehmen, der Ölkonzern ExxonMobil, einen Erfolg errungen: ExxonMobil hatte sich dagegen entschieden, an einer Anhörung des EP im März teilzunehmen, Thema: Leugnung des Klimawandels. Daraufhin hatten Europaabgeordnete und zivilgesellschaftliche Gruppen dazu aufgerufen, ExxonMobil-Vertretern die Zugangsberechtigung zum EP zu entziehen.

Doch der Aufruf verpuffte, die Lobbyisten haben weiterhin Zugang. Corporate Europe Observatory führt dies unter anderem auf das Drängen des europäischen Mineralöl-Treibstoffverbands Fuels Europe bei den EP-Präsidenten zurück, vom Entzug der Zugangspässe Abstand zu nehmen.

Lobbycontrol weist in seinem EU-Report auch auf eine intensive Einflusstätigkeit der Automobilindustrie in Brüssel hin. Als Beispiel nennt die Initiative die Expertengruppe „Emissionen im praktischen Fahrbetrieb – leichte Nutzfahrzeuge“. Ihr Auftrag: Unterstützung der EU-Kommission bei der Entwicklung von Tests für den Schadstoffausstoß auf der Straße. Diese Gruppe sei zu 70 Prozent mit Vertretern der Autoindustrie besetzt worden, beispielsweise von Volkswagen, Daimler, BMW, Opel und dem europäischen Verband der Autoindustrie.

Ein Untersuchungsausschuss des EU-Parlaments habe bemängelt, die Gruppe habe zu einer erheblichen Verzögerung eines neuen Testverfahrens und zu einer deutlichen Entschärfung der Testbedingungen beigetragen.

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