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Löw kennt keine Helden mehr – Kritik vom FC Bayern

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Der Bundestrainer hat seinen Kurs in kurzer Zeit radikal verändert: Aus den Stützen für den Neustart sind Auslaufmodelle geworden. Der FC Bayern kritisiert die Umstände der Ausmusterung. Fest steht: Auch die letzten Rio-Helden Neuer und Kroos haben keinen Freibrief mehr.

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Berlin (dpa) – Für die sportlich radikale Entscheidung gab es keine Schelte. Doch der neue Stil von Bundestrainer Joachim Löw sorgte für Unverständnis – besonders beim Branchenführer FC Bayern.

Mit Jérôme Boateng, Mats Hummels und Thomas Müller musterte der 59-Jährige gleich drei Wortführer aus. Zwar wollte der Rekordmeister die sportliche Entscheidung Löws nicht kommentieren. «Allerdings halten wir den Zeitpunkt und die Umstände der Bekanntgabe dieser Entscheidung an die Spieler und an die Öffentlichkeit für fragwürdig», heißt es in einer Erklärung des Clubs. Man sei «irritiert», schrieb Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge in einer Vereinsmitteilung.

Ab sofort muss sich Löw an seiner eigenen neuen Konsequenz messen lassen. Wenn der Bundestrainer am Ende der kommenden Woche seinen Kader für den Länderspiel-Auftakt 2019 beruft, wird vieles anders sein. «2019 ist für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft das Jahr des Neubeginns», sagte Löw als grundlegende Erklärung für seine wohl härteste Entscheidung als Bundestrainer. Auch für die verbliebenen Rio-Helden um Kapitän Manuel Neuer und Real-Madrid-Star Toni Kroos dürfte die Zeit der Freibriefe und Einsatz-Garantien vorbei sein.

Innerhalb weniger Monate hat der Weltmeister-Coach von 2014 seinen Veränderungskurs radikal verändert. Noch im Herbst nach dem WM-Desaster in Russland hatte Löw die langjährigen Begleiter Müller und Hummels als Stützen für den Neuaufbau bezeichnet. Neuer machte er noch kurz vor Weihnachten zur Nummer 1 bis zur EM-Endrunde 2020. Kroos bekam für das Testspiel gegen Russland eine Auszeit.

Löws Veränderungen mit dem Datumsstempel März 2019 kennen keine Helden mehr. Die Stammplatz-Garantie für Neuer im Zweikampf mit dem starken FC-Barcelona-Keeper Marc-André ter Stegen hat er bereits zurückgenommen. In diesem Jahr gebe es mit der Ausscheidung zur paneuropäischen EM 2020 mit dem Spielort München «einen Neubeginn», der alle betrifft. «Da wird auch der Marc seine Chancen bekommen.» Konsequent wäre dann nur, wenn auch seit Monaten schwächelnde Kräfte wie Sebastian Rudy (Schalke 04) oder der nur in Liga zwei geforderte Jonas Hector (1. FC Köln) erst einmal raus sind.

In «fünf, sechs Jahren» soll der deutsche Fußball wieder zurück in der Weltspitze sein, «wo er hingehört», betonte jüngst DFB-Direktor Oliver Bierhoff, der die Entwicklung ganz nah an Löw begleiten will. Fußball-Deutschland staunt und diskutiert über den neuen, konsequenten Löw. Oft in seinen fast 13 Jahren als Bundestrainer hatte der Schwarzwälder harte Entscheidungen vor sich hergeschoben und an verdienten Spielern wie Lukas Podolski lange festgehalten.

Jetzt musterte Löw mit dem Bayern-Trio Müller, Hummels und Boateng langjährige Weggefährten aus, die mit ihm viele Erfolge beschert hatten. Und das, ohne den Weltmeistern von 2014 noch ein Hintertürchen offen zu lassen. Der Bundestrainer hätte nach dem letzten Länderspiel am 19. November des Vorjahres viel Zeit gehabt, schrieb der FC Bayern am Mittwoch. Die Bekanntgabe «unmittlbar vor richtungsweisenden Spielen» in Bundesliga und Champions League «irritiert uns». Zudem sei man überrascht, dass dies «im Rahmen eines unangekündigten Besuches» von Löw und Bierhoff erfolgte.

Auf dem Weg zur EM 2020 soll es nun eine neue Generation um Julian Brandt, Joshua Kimmich, Leroy Sané, Kai Havertz und Timo Werner richten. Für die Innenverteidigung, die nicht nur im gewonnenen WM-Finale 2014 in Rio de Janeiro Hummels und Boateng gebildet hatten, ist der Münchner Niklas Süle erste Wahl. Antonio Rüdiger, Thilo Kehrer, Matthias Ginter und Jonathan Tah sind Kandidaten für diese Position. Für Müller (29) hatte bei Löw zuletzt schon Bayern-Kollege Serge Gnabry (23) gespielt. Der Münchner gehört wie die Leverkusener Brandt und Havertz, Manchester-City-Jungstar Sané sowie der Leipziger Werner zu den neuen Offensiv-Hoffnungen im DFB-Team.

Im Kader für das erste Länderspiel des Jahres am 20. März in Wolfsburg gegen Serbien und den Start der EM-Qualifikation vier Tage später in Amsterdam gegen Holland könnten einige neue Gesichter, aber auch Rückkehrer auftauchen. Gibt Löw den in Dortmund inzwischen stabilisierte WM-Endspiel-Torschützen Mario Götze eine neue Chance?

Auf jeden Fall wird sich auch die Hierarchie im DFB-Team neu gestalten, neue Führungskräfte werden gesucht. Besonders der Dortmunder Marco Reus, die Münchner Joshua Kimmich und Leon Goretzka sowie Julian Draxler von Paris Saint-Germain sind gefordert. «Sie müssen nun die Verantwortung übernehmen», sagte Löw. Ob Ilkay Gündogan (Manchester City) oder Emre Can (Juventus Turin) Löw nochmals sportlich überzeugen können, muss sich zeigen.

Absprachen wird es mit U21-Trainer Stefan Kuntz geben. Die deutsche Nachwuchsauswahl will im Sommer in Italien bei der EM-Endrunde den Titel ihrer Vorgänger verteidigen. Einige der Spieler wie der Leipziger Verteidiger Lukas Klostermann und der Bremer Maximilian Eggestein könnten erst nach diesem Turnier in den A-Kader aufrücken.

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