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„Natürlich sollte es vielerorts schneller gehen“

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Telekom-Technologie-Vorstand Claudia Nemat über Netzausbau und 5G-Auktion sowie der Konkurrenz zu Amazon. Und warum das klassische Managermodell am Ende ist.

Glasfaserleitungen für schnelles Internet: „Wir sind seit drei Jahren in der größten Netzmodernisierung der Geschichte der…

Claudia Nemat, 50, ist im Vorstand der Deutschen Telekom für den Bereich „Technologie und Innovation“ verantwortlich. Von Personalberatern wird sie als mögliche erste Dax-Chefin gehandelt.

Frau Nemat, die 5G-Lizenzen kosten schon jetzt deutlich mehr als erwartet. Werden sie zu teuer?
Da die Auktion noch läuft, darf ich nicht viel dazu sagen. Aber grundsätzlich ist es so, dass Deutschland leider einen Sonderweg gewählt hat. Ein Teil des Spektrums ist für die Industrie reserviert und die verbleibenden Frequenzen werden unter vier Spielern versteigert, wohl wissend, dass man die verbleibende Menge eigentlich für drei Interessenten bräuchte. In diesem Design war vorab alles angelegt, was wir nun sehen.


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Bleibt Ihnen so am Ende zu wenig Geld für den Netzaufbau?
Wir sind seit drei Jahren in der größten Netzmodernisierung der Geschichte der Deutschen Telekom und werden unabhängig vom Ausgang das Netz weiter deutlich ausbauen. Wir haben schon unsere Antennen modernisiert und für 5G vorbereitet, zudem wollen wir weiße Flecken beim Mobilfunk schließen. Auch beim Glasfaserausbau für das Festnetz geht es voran: Wir können jetzt 20 Millionen Haushalten Anschlüsse mit Geschwindigkeiten von bis zu 250-Mbit/s bieten, Ende des Jahres werden es 28 Millionen sein.

Wieso gibt es dann trotzdem so viele Beschwerden?
Natürlich sollte es vielerorts noch schneller gehen, doch dann müsste uns die Politik helfen und unnütze bürokratische Hürden aus dem Weg räumen. In Deutschland liegt die Genehmigungsdauer für eine Mobilfunkantenne bei ein bis zwei Jahren. Das ist beispiellos auf der Welt. Und in vielen anderen Ländern wie Portugal werden Glasfaserleitungen oberirdisch verlegt, zumindest auf dem Land sollte man auch hier darüber nachdenken. Schließlich bremsen auch die verfügbaren Baukapazitäten: Mehr als drei Viertel der gesamten für diese Arbeiten verfügbaren Tiefbaufirmen in Deutschland setzen wir ein.

Verzögerungen gibt es auch beim intelligenten Lautsprecher, der schon im Vorjahr erscheinen sollte.

Wir wollen stets das bestmögliche Kundenerlebnis liefern. Darum steht Qualität für uns auch bei der Entwicklung des Speakers an erster Stelle, was andererseits leider Verzögerungen bei der Markteinführung bedingt hat. Sobald das Trainings-Level des Sprachassistenten unserem Anspruch genügt, werden wir ihn zum Vertrieb freigeben.

Warum dauert das so lange?

Die Sprache trainiert sich erst in der Anwendung mit hunderten Testkunden, der Prozess des Erlernens lässt sich nicht beliebig beschleunigen. Und es soll ja auch so sein, dass gewisse Akzente und Dialekte erkannt werden.

Werden zur Verbesserung wie bei Amazon Teile der realen Gespräche genutzt?

Nur auf Wunsch des Kunden. Grundsätzlich schaltet sich der Sprachassistent erst bei den Schlüsselwörtern „Hallo Magenta“ oder „Hi Magenta“ ein. Erst dann wird eine Verbindung zur Sprachplattform in der Cloud hergestellt und die nachfolgenden Sprachbefehle werden übertragen. Ohne Schlüsselwort findet keine Verarbeitung des Gesprochenen statt. Unterhaltungen bleiben also privat in den eigenen vier Wänden. Um den Smart Speaker zu trainieren, können uns Kunden jedoch falsch verstandene Sprachbefehle melden.

Welche eigenen Funktionen bietet der Lautsprecher noch, wenn Alexa deaktiviert ist?

Zum Start gibt es Basisfunktionen wie Musik hören, Nachrichten und Wetter abfragen oder Einkaufslisten erstellen. Vor allem aber machen wir damit unsere Telekom-Services sprachfähig: Vom Telefonieren über Fernsehen und Entertain bis hin zu Smart-Home-Funktionen. Perspektivisch wollen wir auch mit anderen Unternehmen kooperieren, die ihre Anwendungen darauf bringen.

Beim Cloud-Geschäft plädiert Telekom-Chef Höttges für eine europäische Alternative. Was müsste geschehen, damit die Telekom selbst eine ist?

Wir haben ja mit der Open Telekom Cloud eine Lösung für Unternehmen, die Wert darauf legen, dass ihre Daten in Europa gespeichert werden. Damit sich die Anwendung verbreitert, dürfen gerne auch staatliche Behörden und Institutionen Kunden werden, Stichwort: Polizei.

Sie beziehen sich auf Bodycam-Aufnahmen der Polizei, die bei Amazon gespeichert werden. Bei der Ausschreibung war die Telekom aber keine Alternative, da sie das Sicherheitszertifikat nicht hatten.

Aber jetzt steht sie zur Verfügung und kann verwendet werden.

Claudia Nemat, Europa- und Technik-Chefin der Telekom.

Amazon ist auch so stark, weil sie ein Vorreiter waren und technisch extrem viel bieten. Wie wollen sie das aufholen?

Amazon ist auch deswegen so stark, weil sie das eigene Geschäft in die Cloud gebracht haben und vom Online-Handel lernen konnten. Aber wir investieren und arbeiten daran: Kunden werden auf verschiedene Cloud Lösungen setzen – für spezifische, beispielsweise sicherheitskritische Anwendungen bieten wir eine Option, die gerade für den Mittelstand interessant ist.

Standortwettbewerb gibt es auch bei der Künstlichen Intelligenz (KI). Wie sehen sie dort die deutsche Position?

In den USA wurden 2017 19 Milliarden Dollar nur in KI-Forschung investiert, in China neun Milliarden und in Europa vier bis fünf Milliarden. Hier mehr zu tun ist also grundsätzlich richtig. Es ist aber wichtig, dabei auch in anwendungsnahe Technologien zu investieren. Zudem fällt uns die Fokussierung oft schwer. Man sollte sich auf Exzellenzcluster konzentrieren, nicht mit der Gießkanne investieren.

Wirtschaftsminister Altmaier wirbt für einen KI-Airbus, ist das eine gute Idee?

Der Gedanke, dass in Europa nochmal so etwas wie Airbus entstehen könnte, wo ich übrigens im Aufsichtsrat bin, ist richtig. Die Frage ist, wie man das schafft und in welchem Bereich. Dazu wäre es notwendig, eine Technologiestrategie zu haben, um Schlüsseltechnologien und Zukunftsfelder zu definieren.

Welche sollten das sein?

Kommende Themen sind Blockchain, Quanten-Computing und Industrie 4.0. Gerade bei letzterem haben wir extremes Detailwissen über industrielle Produktionsprozesse. Da ist es offen, ob die Technologiekonzerne mit ihrem enormen Vorsprung bei Dateninterpretation oder die Unternehmen mit dem Wissen um die Anwendungen, die neuen digitalen Geschäftsmodelle entwickeln. Die Digitalisierung der industriellen Prozesse könnte daher immer noch ein deutscher und europäischer Exportschlager werden. Wenn es um Industriepolitik geht, wäre es aber auch hilfreich, wenn mögliche europäische Champions nicht am Entstehen gehindert würden.

Wo sehen sie Beispiele dafür?

Bei der untersagten Fusion von Siemens-Alstom.

In der IT herrscht ein Mangel an Fachkräften. Wie überzeugen sie gute Leute zur Telekom zu kommen, statt zu Google & Co.?

Die Knappheit von Talenten ist natürlich auch ein Thema für uns. Aber mir ist es gelungen, einige Spitzenleute für mein Team zu gewinnen, die aus Asien, Amerika, Afrika und natürlich auch aus Europa kommen. Ein gutes Argument ist es dabei, etwas zu entwickeln, das mit unseren europäischen, freiheitlichen Werten in Einklang ist.

Aber man muss verschiedene Wege gehen, die Umschulung vorhandener Mitarbeiter ist auch sehr wichtig. Wir machen dafür in großem Stil Softwareakademien. Bei uns haben viele die Grundfähigkeiten, um sich auch mit Themen wie KI zu befassen. Zudem geht es um die Veränderung der Arbeitsweisen.

Das schreiben sich viele auf die Fahnen. Was machen sie da konkret?

Die Telekom hatte wie viele große Konzerne traditionell sehr arbeitsteilige und hierarchische Prozesse. Im Technologie- und Innovationsbereich haben wir jetzt die Zahl der Hierarchien auf drei Ebenen halbiert. Zudem werden die Aufgaben stärker nach Kompetenzen zugeordnet. Die Anzahl der Mitarbeiter, die sich um Projektmanagement oder administrative Tätigkeiten kümmern, wurde deutlich reduziert; die Anzahl der Entwickler, Architekten und Designer dafür erhöht. Wobei die lang gelernten Verhaltensmuster der Generation 40+ Veränderungen am meisten entgegenstehen.

Wie meinen sie das?
Ich habe kürzlich zu meinen Leuten gesagt: Das klassische Managermodell ist eigentlich tot. Also jemand der gewohnt ist, Aufgaben und Ressourcen zu verteilen und dann mit Leistungs-Indikatoren zu kontrollieren, wie alles abgearbeitet wird. Das zu ändern klingt zwar einfach, doch Generationen von Führungskräften haben es über Jahrzehnte so gelernt und sind damit in ihre Positionen gekommen. Aber wir arbeiten daran.

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