Wirtschaft

Ostdeutschland aufgeladen

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In Frankfurt (Oder) und Dresden könnten Zellfabriken entstehen. BMW und VW bauen E-Autos in vor allem Sachsen.

Zu früh und zu teuer. Vor zehn Jahren wurden bei Li-Tec im sächsischen Kamenz Batteriezellen gebaut. Das Gemeinschaftsunternehmen…

Die Chinesen kommen. Hoffentlich. Nachdem sich Bosch gegen eine Fertigung von Batteriezellen entschieden hat und Conti mindestens noch zwei Jahre für den Abwägungsprozess braucht, heißt die Hoffnung von deutschen Industriepolitikern, Gewerkschaftern und Wirtschaftsförderern CATL. Die vier Buchstaben stehen für Contemporary Amperex Technology Ltd., ein Batterie- und Batteriezellenhersteller aus China, der erst seit 2011 auf dem Markt ist und den Ehrgeiz hat, zum größten Zellenhersteller der Welt zu werden.

CATL-Gründer Zeng Yuqun hat ursprünglich Lithium-Ionen-Akkus für Konsumelektronik, etwa das iPhone, produziert. Mit CATL steht nun der große Sprung nach vorn an – auf den Weltmarkt der Elektromobilität. Und da die gefragtesten Autos der Welt in Deutschland gebaut werden – und im nächsten Jahrzehnt auch Elektroautos für den Massenmarkt – würde CATL gerne eine Zellfabrik hierzulande bauen und betreiben. Womöglich in Frankfurt (Oder). Denn hier stehen die Hallen von First Solar seit Jahren leer.

Die Hallen von First Solar stehen leer

Das US-Unternehmen First Solar hatte hier 2007 seine erste Produktion außerhalb der USA eröffnet und die Kapazitäten in den folgenden Jahren auf 1200 Arbeitsplätze erweitert. Doch seit inzwischen sechs Jahren passiert in den Hallen nichts mehr. Aufgrund des hohen Konkurrenz- und Preisdrucks aus China war die Produktion in Frankfurt unwirtschaftlich geworden. Auf allen möglichen Ebenen, das Bundeskanzleramt ist auch beteiligt, bemühen sich derzeit Politiker und Wirtschaftsförderer, CATL an die Oder zu locken. Fördergelder zählen ebenso zu den Lockmitteln wie die mögliche Integration von CATL in einem deutschen Batteriezellencluster, zu dem perspektivisch auch eine öffentlich finanzierte Forschungsfabrik gehören soll, die sich mit den Technologien der Zukunft befasst.

CATL will am Standort Deutschland investieren, wenn es sich einigermaßen rechnen lässt, um in der Nähe von BMW und VW, Mercedes und Audi Batteriezellen für das elektromobile Zeitalter zu bauen. Das wollte ursprünglich auch die südkoreanische SK Innovation, die sich aber im vergangenen Jahr gegen Frankfurt (Oder) entschied und nun in Ungarn baut. Ausschlaggebend dafür waren Personalkosten und Genehmigungszeiten. Womöglich waren diese Kriterien etwas vorgeschoben, denn die Personalkosten machen nur einen Bruchteil der Herstellungskosten aus. Der überwiegende Teil entfällt auf das Material, vor allem die Rohstoffe Lithium, Kobalt, Graphit und Nickel. Und hier haben sich die Chinesen in den vergangenen Jahren sehr gut aufgestellt.


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Chinesen haben Zugriff auf Rohstoffe

Kobalt wird als Nebenprodukt der Nickel- und Kupferproduktion vor allem im Kongo gewonnen; das Land verfügt über gut die Hälfte der weltweiten Kobalt-Reserven. „Die Weiterverarbeitung der Kobalterze und -konzentrate erfolgt überwiegend in China“, heißt es bei der Deutschen Rohstoffagentur. So ist es auch bei einem Großteil des Lithiums, das vor allem in Australien, Chile und Argentinien gewonnen und in China weiterverarbeitet wird. Beim Graphit ist China derzeit mit einem Anteil von 70 Prozent an der weltweiten Förderung mit Abstand der größte Produzent, vor Brasilien (elf Prozent) und Indien (vier Prozent). Nickel schließlich wird in vielen Ländern gewonnen. Je mehr Nickel in der Batterie-Kathode steckt, desto höher die Energiedichte. „Aufgrund der hohen Kosten des Kobalts, aber auch um die Energiedichte zu erhöhen, geht der Trend zur Reduktion der Kobaltanteile zugunsten höherer Nickelanteile“, heißt es in einer Studie der Rohstoffagentur. Chemiekonzerne wie BASF forschen derweil an Alternativen, die im kommenden Jahrzehnt das Nickel ersetzen könnten. Dann wird auch mit einem geringeren Anteil der Materialkosten an den Herstellkosten insgesamt gerechnet.

Der Bedarf an Zellen steigt enorm

Richtig in Schwung soll die Elektromobilität in den 2020er Jahren kommen – dann steigt der Zellenbedarf um ein Vielfaches. Der Markt für kleine Akkus hat sich in den vergangenen Jahren bereits stark entwickelt: Für Mobiltelefone und Notebooks, aber auch für Hörgeräte, Kopfhörer, elektrisch betriebene Werkzeuge oder auch Gabelstapler und Transporter. Wie zum Beispiel Streetscooter, das kleine E-Fahrzeug der Post.

Streetscooter gehört zu den knapp 20 Unternehmen und Universitäten bzw. Forschungseinrichtungen, die sich unter dem Namen Terra E zu einer Allianz zusammengefunden haben. Zweck des Bündnisses: Aufbau einer Zellfertigung in Deutschland. Und zwar nach dem Foundry-Konzept: Unterschiedliche Zellen können je nach Bedarf des Kunden gefertigt werden. Der Anspruch von Terra E ist ambitioniert: Bis 2028 soll eine Kapazität von 34 Gigawattstunden stehen. Das würde für rund 650 000 Elektroautos reichen. Eine ganze Menge – doch allein der VW-Konzern will 2025 rund drei Millionen E-Fahrzeuge bauen.

Terra E braucht Geld

Terra E bemüht sich derzeit um eine Anschubfinanzierung durch die Europäische Investitionsbank, wie sie in Schweden bereits ein Konsortium mit dem Namen Northvolt in Höhe von 52 Millionen Euro bekommen hat. Mit dem Geld lässt sich immerhin einiges planen und vorbereiten. Doch sowohl in Schweden als auch bei Terra E ist offen, woher die insgesamt erforderlichen vier Milliarden Euro kommen sollen, die eine Gigafactory kostet. Der Standort dagegen steht fest: Terra E will seine Zellen in Dresden produzieren. Die Aufholjagd der deutschen Industrie, die bei der Batterietechnologie weit hinter die asiatische Konkurrenz zurückgefallen ist, würde also vor allem in Ostdeutschland stattfinden: BMW und VW bauen den überwiegenden Teil ihrer Elektroautos in Leipzig und Zwickau, und die Zellen dafür stammen aus Frankfurt (Oder) und Dresden.

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