Kultur

Mickys WhatsApp-Report 2018: zwischen Pornobildern und Tupperspam

0

Wer auch immer behauptet, Smartphones gehörten nicht in die Hände von Kindern, ignoriert, welchen Schaden unsere Eltern damit anrichten können. Der 78-jährige Vater meines Kumpels Loffi wurde zu einer kurzfristigen Internet-Berühmtheit. Hashtag #Pornogate.

Mickys Weihnachts-WhatsApp war in diesem Jahr harmlos.

Die Welt der Kommunikation. Vor zirka zwanzig Jahren war das alles noch sehr einfach. “Ja, guten Tag Frau Brokopp. Hier ist der Micky. Ist der Thorsten zuhause?” Und das dreizehn mal. Natürlich nicht nur bei Frau Brokopp.

Wer auch immer behauptet, früher sei alles besser gewesen, der hat schlicht den kommunikativen Canossagang vergessen, den man auf sich nehmen musste, wollte man Freunde mit derselben Information versorgen. Fußball. Kino. Komasaufen. Musste man in einem bestimmten Alter noch an fremden Eltern vorbei und quälende Konversationen erdulden, so war dieser Rundruf vor allem eins: nervig. Ein hilfloses Zappeln im Festnetz.

Mein Gott, wie unglaublich einfach sind heutzutage WhatsApp-Gruppen. Klar, jetzt werden hoffnungslose Romantiker nölen, wie schön es doch früher war, als man noch persönlich am Telefon miteinander geredet hatte. Glauben Sie mir, in meiner Fußball-WhatsApp-Gruppe sind 85 Menschen. Die würden Sie alle nicht persönlich anrufen wollen. Und, um ehrlich zu sein: Manche Menschen versprechen wenig spannendere Konversationen als ein “Abspieelööööön!” oder “Pack ihn dir!” – das muss man nicht an der Hörmuschel vertiefen.

Die Bildung von Gruppen geschieht zu unterschiedlichen Zwecken: Da wäre besagter Fußball, Kindergarten-Eltern oder WhatsApp-Kreise zur Bildung von Arbeitsgemeinschaften. Besonders schrecklich. Also, die Elterngruppen. Arbeitskreise sind völlig okay. Wenn innerhalb von zwölf Stunden zum achten mal dein Telefon blinkt, um dich auf einen Kinderflohmarkt nahe der Flip Flop-Halle aufmerksam zu machen, ebbt die Euphorie für digitale Kinderbetreuung langsam ab.

Die “Omma geht’s gut”- Gruppe, gegründet anlässlich der Oberschenkelhalsbruch-OP meiner 93-jährigen Großmutter ist ein beeindruckender Beleg für die Beliebtheit der Frau. So ziemlich alles zwischen zehn und 70, das sich im Großraum Ruhrgebiet tummelt, ist da drin, und wie sich das für den Pott gehört, ist der Ton entsprechend deftig. Kaum, dass die erleichternde Meldung kam, dass das zähe Luder auch die zweite OP unter Vollnarkose gut überstanden hatte, poppten schon die ersten Folgemitteilungen auf à la “wahrscheinlich hat die jetzt auch noch Doppel D!” oder “Omma is Chuck Norris’ Endgegner!” auf. Man muss es einfach lieben. Wenn man nicht allzu Konkretes erwartet.

WhatsApp-Gruppen aus der Hölle

Ebenfalls ist, wie bei allen von Menschen gemachten Vereinigungen, der Missbrauch schnell da. Fünf Minuten nach Gründung und drei sinnvolle Infos später, tauchen bereits die ersten lustigen Filmchen auf, alte Gifs, grüßende Hasen, nackt tanzende Weihnachtsmänner, Ebay-Schleichwege, Aufrufe zum politischen Widerstand, Witze über Mesut Özil und am Ende: eigentlich nur noch Pornografie. Was ja eigentlich schon wieder schön ist.

Bislang konnten zumindest Gruppen wie “Familie”, “Interessensgemeinschaft Bier” oder “Familie 2.0” davon unberührt bleiben. Obwohl: Mama hat gerade die lustigen Filmchen für sich entdeckt. Das wird böse enden. Aber was sag ich Ihnen. Sie alle haben gerade Weihnachten hinter sich gebracht. Der Speicher dürfte voll sein mit digitalen Grußkarten und tanzenden Santas. Dennoch rate ich dazu, nicht jeden Gruß zu ignorieren. Manchmal lohnt ein zweiter Blick.

Micky Beisenherz: Sorry, ich bin privat hier

So wurde die Freundin meines Kumpels Loffi auf eine nette Weihnachts-Whats App-Botschaft von Schwiegerpapa aufmerksam. Die Botschaft selbst: harmlos. Sein Profilbild indes erregte ihre Aufmerksamkeit. “Sach ma, Loffi. Was ist denn mit Wolle los? Hast Du mal auf sein Whats-App-Profilbild geguckt?!” Das Ding war fast schon ein Fall für die Sitte: Eine explizit pornografische Szenerie, garniert mit einem lustigen Spruch darüber, dass man früher in Kneipen ja noch rauchen durfte.

Pornogate bei Papa Loffi

Er, 78, wollte das Foto wohl teilen, doch anstatt auf “weiterleiten” zu klicken, machte er den herrlich plumpen Schmuddelgag zu seinem neuen Profilbild. Das ist allerdings schon 14 Tage her. Und so fragen sich seit zwei Wochen diverse Geschäftspartner, Golffreunde, Tanten und Nichten, was genau denn wohl mit (Onkel) Wolle los sei.

Loffi und ich haben den Lapsus seines Vaters natürlich entsprechend behandelt – und ins Internet gestellt. Von Armin Rohde bis Palina Rojinski haben sich alle gut amüsiert. Er ist im Grunde genommen reif fürs Dschungelcamp. WhatsApp-Gruppen sind natürlich nicht das Sinaloa-Kartell oder 1&1 – man kann jederzeit austreten.

Mitunter aber befindet man sich so schnell im Strudel der Zwangsinformationen, dass man kaum den Exit-Button findet. So fügte mich die Schwester eines alten Freundes – natürlich ungefragt – zu einem nicht enden wollenden Tupperwarenverkaufs-Feed hinzu, und 237 Dosen, Becher und Trinkflaschen in Nikolausform später fand ich endlich die Kraft, mich zu enttuppern. Schamlos!

Bloß nicht zu schnell austreten

Manchmal ist ein zu früher Austritt aber auch schade. Man verpasst menschliche Abgründe. Ich erinnere mich an die Geschichte eines lustigen Bergfestes, Mitte einer Produktion, wo es darum ging, via WhatsApp-Gruppe alle zum Trinken zusammen zu trommeln, als sich online folgende Konversation entspann:

Aufnahmeleiter: “Alle gleich an der Theke! Und? Wo ist der XY?”

Regisseur: “Ach, der ist bestimmt auf der 308 und vögelt einen der Tänzer.”

Stille.

Wenige Sekunden poppte die überraschende Mitteilung auf …

Star XY: “Wer vögelt WEN?!!”

Der Regisseur tauchte nie wieder in der WhatsApp-Gruppe “Arbeit” auf. Oder sonst irgendwo. Es empfiehlt sich doch immer, genau hinzusehen WER in WELCHER Gruppe unterwegs ist.

Davon ab: Ich bin mir sicher, das Video von dem Sex mit dem Tänzer hab ich schon lange in der Fußball-Gruppe geschickt bekommen. Falls es einen Screenshot davon gibt: Loffis Vater hat ihn bestimmt bereits als Profilbild.

Bach sieht Misstrauen gegen internationale Organisationen

Previous article

Duett: Kerstin Ott, Helene Fischer und die Regenbogenfarben

Next article

You may also like

Comments

Leave a reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

More in Kultur