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Das Brexit-Finale: Die wichtigsten Fakten zur Abstimmung

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Am Dienstag erreicht das Brexit-Drama seinen vorläufigen Höhepunkt: Das britische Parlament stimmt über den EU-Deal von Premierministerin Theresa May ab. Ein Überblick über die möglichen Folgen.

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Worüber stimmen die Abgeordneten genau ab?

In der Debatte und in der anschließenden Abstimmung am Dienstag geht es darum, ob das britische Parlament das Rücktrittsabkommen aus der Europäischen Union unterstützt. Das Abkommen ist der rechtsverbindliche Text, der die Bedingungen für den EU-Austritt festlegt. Unabhängig davon stimmen die Abgeordneten zudem über eine Erklärung ab, in der die Beziehungen des Vereinigten Königreichs mit der EU nach dem Brexit detailliert beschrieben werden.

Um ihren Deal mit der EU durch das Parlament zu bringen, braucht Premierministerin Theresa May 320 Stimmen. Allerdings verfügt sie nicht über die absolute Mehrheit im 650-köpfigen Parlament. Zudem haben Brexit-Hardliner in ihrer eigenen Conservative Party bereits angekündigt, gegen den Plan zu stimmen. Dazu kommt, dass auch die nordirische Democratic Unionist Party (DUP), die auch Mays Regierung stützt, den Deal mit der EU ablehnt. Der Grund ist die sogenannte Backstop-Regelung: Der Plan sieht eine offene Grenze zwischen Nordirland (britisches Territorium) und dem EU-Mitglied Irland vor, wenn sich das Vereinigte Königreich und die EU nicht bis Dezember 2020 auf ein neues Freihandelskommen einigen können. Sowohl die DUP als auch die konservativen Hardliner befürchten, dass der Backstop das Vereinigte Königreich und die EU auf unbestimmte Zeit aneinander binden würde.

Wie funktioniert die Abstimmung?

Am 9. Januar begann eine fünftägige Debatte, die am Dienstag (15. Januar) endet. Anschließend stimmen die Abgeordneten über verschiedene Punkte ab: Zunächst über Änderungsanträge zum Regierungsantrag und schließlich über den Antrag selbst.

Theresa May (Mitte) spricht im Dezember im Unterhaus – dem britischen Parlament

Die Regierung hat in diesem Verfahren schon zwei Rückschläge erlitten: Die Abgeordneten haben bereits einer Änderung zugestimmt, die besagt, dass die Regierung ohne Zustimmung des Parlaments nicht mehr über finanzielle Ausgaben bestimmen darf. Damit sollen die Auswirkungen eines eventuellen No-Deal-Szenarios ohne Beteiligung des Parlaments ausgeglichen werden.

Zweitens haben die Abgeordneten den Zeitplan neu bestimmt, falls May die Abstimmung verliert und einen Brexit-Plan B vorlegen muss. Normalerweise hätte die Regierung 21 Tage Zeit, um eine Alternative zu finden – May muss dies nun innerhalb von drei Tagen organisieren.

Wann liegt das Ergebnis vor?

Die Abstimmung beginnt am späten Abend. Der “Speaker” (Parlamentsvorsitzende), John Bercow, wird laut Protokoll die Befürworter des Deals auffordern “Aye” zu rufen, die Gegner “No”. Wenn er nicht beurteilen kann, ob ein eindeutiges Ergebnis vorliegt, kommt es zu einer Art Hammelsprungverfahren, der sogenannten “Division”. Dieses Verfahren wird mit dem Ruf “Clear the lobbies!” (Macht die Räume frei!) angekündigt.

Während einer “Division” müssen sich die Abgeordneten entweder für die “Aye-Lobby” oder die “No-Lobby” entscheiden. Während die Abgeordneten durch den jeweiligen Eingang zur Unterhauskammer gehen, werden ihre Namen protokolliert, die Stimmzähler anschließend auswerten. Der leitende Stimmzähler und der Parlamentssprecher teilen dann das Ergebnis mit. Der gesamte Vorgang dauert etwa 15 Minuten.

Was passiert, wenn May die Abstimmung verliert?

Das Gesetz sieht eigentlich vor, dass die Regierung innerhalb von 21 Tagen mitteilen muss, wie es weitergeht. Doch, wie bereits dargelegt, hat das Parlament diesen Zeitraum auf drei Tage verkürzt. May hat schon angekündigt, dass das Vereinigte Königreich die EU am 29. März ohne Deal verlassen wird, sollte ihr Vorschlag abgelehnt werden.

Für May persönlich könnte dieses Ergebnis das Ende ihrer Amtszeit als Premierministerin bedeuten. Das Misstrauensvotum innerhalb ihrer eigenen Partei hat sie im Dezember zwar überstanden, dennoch stimmten damals 117 von 317 Abgeordneten gegen die Premierministerin und Parteivorsitzende. Eine Niederlage bei der Abstimmung am Dienstag würde den Druck auf sie deutlich erhöhen, zurückzutreten.

Was sagt die Opposition?

Der Vorsitzende der Labour Partei, Jeremy Corbyn, hat bereits angekündigt, dass seine Partei gegen den EU-Deal stimmen wird. Als nächsten Schritt stellte er ein Misstrauensvotum gegen die Regierung in Aussicht. Daran könnten sich eventuell Neuwahlen anschließen, falls May gezwungen ist, zurückzutreten. Sollte die Labour Partei als Gewinner aus einer möglichen Neuwahl hervorgehen, würde Corbyn die Bedingungen des Brexit-Deals mit der EU neu verhandeln, sagte er.

Jeremy Corbyn denkt bereits an Neuwahlen

Ein zweites Referendum über den Brexit schloss Corbyn ebenfalls nicht aus. Viele Mitglieder seiner Partei bevorzugen eine weitere Abstimmung – aber nur dann, wenn sie keine Neuwahl erzwingen können.

Stürzt der Brexit das Vereinigte Königreich in eine Verfassungskrise?

Einige politische Beobachter bezeichnen das Hin und Her im Brexit nicht als Auseinandersetzung zwischen dem Vereinigten Königreich und der Europäischen Union, sondern als erbitterten Machtkampf zwischen Regierung und Parlament. Dieser Kampf kann ein Vorläufer einer Verfassungskrise sein, weil niemand wirklich weiß, wie es weiter geht und was als nächstes passiert.

Im Moment gibt es für keine der möglichen Optionen eine Mehrheit:

  • Kein Deal (Handelsbeschränkungen träten in Kraft, Blockaden in Häfen und Warenknappheit könnten die Folge sein)
  • ein sanfter Brexit, der Großbritannien weiter an die EU binden würde
  • oder ein zweites Brexit-Referendum.

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