Wirtschaft

Das Geschäft seines Lebens

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Karl Albrecht starb, wie er stets gelebt hatte: abgeschieden von der Öffentlichkeit, bedacht auf möglichste Unsichtbarkeit. Dabei hat niemand die Einkaufskultur der Deutschen stärker verändert als der Aldi-Gründer. Ein Nachruf.

Karl Albrecht.

Am Montagvormittag wurde er begraben. Erst danach, als er seine letzte Ruhe gefunden hatte, informierte die Familie die Medien: Karl Albrecht ist schon am vergangenen Mittwoch gestorben. Wie sein Leben, so war sein Tod – abgeschieden von der Öffentlichkeit, immer bedacht auf möglichste Unsichtbarkeit. Nicht einmal sein Geburtsdatum, man munkelte vom 20. Februar 1920, ist je offiziell bestätigt worden. Das Gleiche gilt vom Geburtsort, angeblich soll es Essen gewesen sein.
Lediglich der Ort der Grabstätte gilt als verbürgt. Über die nämlich hat der „Spiegel“ vor einigen Jahren Erstaunliches erfahren. Danach hat Karl Albrecht im Jahr 1997 für die stolze Summe von haargenau 69 984 D-Mark im Essener Stadtteil Bredeney auf dem städtischen Friedhof acht Grabstellen erworben und sein Bruder Theo kurz darauf weitere 14. Und weil sie ihr Unternehmensimperium schon immer säuberlich geografisch aufgeteilt hatten, Aldi-Süd und Aldi-Nord, sollte diese Trennung auch für den Tod gelten: Karls Beerdigungsfelder lagen im südlichen Teil des Friedhofs, die von Bruder Theo im Norden.

Aldi-Gründer Karl Albrecht ist totAlle Bilder anzeigen
1 von 5Foto: dpa21.07.2014 15:21An der Seite seiner im vergangenen Jahr verstorbenen Frau wird Karl Albrecht am Morgen des 21. Juli 2014 auf einem Essener…Zurück

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Nach dem Erwerb der Gräber tat sich dann eine geraume Zeit nichts. Das Unkraut wucherte, wie der „Spiegel“ berichtete, so dass sich die Friedhofsverwaltung genötigt sah, eine Mahnung zu schicken. Da fuhr dann schließlich ein Aldi-Laster vor, und es wurden angeblich Eiben, Zypressen und Rhododendren abgeladen. Grund für die Verzögerung: Man hatte wohl so lange mit dem Grabschmuck gewartet, bis die Firma Aldi günstige Pflanzen im Sonderangebot hatte.

Deutschlands rätselhaftestes Brüderpaar

Ob diese Geschichte in der Tat verbürgt ist, sei dahingestellt. Aber auch wenn sie nicht wahr sein sollte, so wäre sie immerhin wunderbar erfunden. Denn nichts bezeichnet Deutschlands rätselhaftestes Brüderpaar so perfekt wie das Wort „billig“. Es war ihr Lebensmotto, es war die Ursache ihres gigantischen Erfolgs. „Unsere Werbung liegt im billigen Preis“, sagte Karl Albrecht bereits im Jahr 1953.
Da war er bereits sieben Jahre im Geschäft. 1946 hatte er nach einer Lehre im Essener Feinkostladen Weiler zusammen mit seinem Bruder das kleine Lebensmittelgeschäft seiner Mutter, ebenfalls in Essen, übernommen. Und nun begann ein Siegeszug ohnegleichen. Nach und nach baute er eine – zunächst ganz konventionelle – Ladenkette auf, verfügte schon 1950 über 13 Geschäfte, dehnte sie in den Folgejahren über das gesamte Ruhrgebiet aus, 1960 waren es bereits 300.

Der Durchbruch zum Branchenriesen kam im Jahr 1962. Da eröffneten die beiden Brüder in Dortmund den ersten Aldi-Markt, wie man ihn heute kennt: keine Dekorationen, keine besonderen Einrichtungen, kleine Verkaufsflächen, Waren auf Paletten und ein straff reduziertes Sortiment. Noch heute bietet Aldi lediglich etwa tausend Artikel. Eine Edeka-Filiale kommt, je nach Größe, auf ungefähr 35 000.


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Die Gründer wurden reich, steinreich

Die Idee schlug ein, das Imperium, das sich aus den beiden Anfangssilben von „Albrecht-Discount“ zusammensetzt, wuchs und expandierte. Erst ins europäische Ausland, 1976 dann in die USA und im Jahr 2000 nach Australien. Allein in Deutschland gab es 2012 rund 10 000 Aldi-Märkte mit einem Gesamtumsatz von geschätzten 62 Milliarden. Und die Gründer wurden reich davon, steinreich. Theo Albrechts Vermögen wurde vor vier Jahren, als er starb, auf immerhin 16,7 Milliarden Euro geschätzt. Bruder Karl übertraf ihn noch mit 19,2 Milliarden. Er galt damit als reichster Deutscher und belegt auf der internationalen Forbes-Liste der vermögendsten Menschen der Welt immerhin den 24. Platz.
So wenig man über das Brüderpaar weiß, so scheint doch gesichert, dass Karl der Vordenker und Impulsgeber gewesen ist. Sein Teil-Imperium, Aldi-Süd, war stets der Vorreiter, Aldi-Nord zog nach. Etwa mit der Idee, nach geraumer Zeit auch Frischprodukte ins Sortiment aufzunehmen, Obst- und Gemüsetheken. Oder mit der Aldi-Revolution, mit der Einführung des Euro endlich auch auf Scanner-Kassen umzustellen, wie sie in anderen Supermärkten längst üblich waren. Zuvor hatte man als Aldi-Kunde an den Kassen die unbegreifliche Schnelligkeit der Mitarbeiter, fast immer waren es Frauen, bewundern können, die offensichtlich die Preise jedes einzelnen Artikels im Kopf hatten und sie mit so affenartiger Geschwindigkeit eintippten, dass man mit dem Einpacken gar nicht nachkam.

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