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Die orthodoxe Kirche und der Zankapfel Ukraine

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In der Orthodoxie ist ein offener Streit ausgebrochen. Moskau attackiert den Patriarchen von Konstantinopel, weil er die Orthodoxe Kirche der Ukraine für unabhängig erklärte. Der Ostkirche droht eine tiefe Spaltung.

Ein Vierteljahrhundert lang war der Kirchenstreit in der Ukraine für die Orthodoxie so etwas wie eine tickende Zeitbombe. Millionen Ukrainer gehörten seit Anfang der 1990er Jahre zwei abtrünnigen Kirchengruppen an – dem “Patriarchat von Kiew” und der “Autokephalen Kirche”. Diese Kirchen waren international nicht anerkannt, ihre Mitglieder wurden oft als “Spalter” stigmatisiert, nachdem sie sich von der moskautreuen “Ukrainischen Orthodoxen Kirche” lossagten und einseitig ihre Unabhängigkeit proklamierten.

Lange taten andere orthodoxe Kirchen so, als wäre die Spaltung eine interne Angelegenheit der Russischen Orthodoxen Kirche. Doch spätestens nach der Annexion der Krim und dem darauffolgenden Krieg in der Ostukraine wurde klar: Der Patriarch von Moskau, dem seit dem 17. Jahrhundert die Ukraine kirchenrechtlich unterstellt war, kann keinesfalls mehr eine Integrationsfigur für alle Ukrainer sein.

Große Freude, bleibende Spaltung

Diesem Umstand trug der Ökumenische Patriarch Bartholomäus – das Ehrenoberhaupt der weltweiten Orthodoxie – schließlich Rechnung, als er am 6. Januar 2019 in Istanbul dem obersten Hierarchen der unabhängigen ukrainischen Kirche den Tomos – eine Art Unabhängigkeitsbulle – überreichte, und das im Beisein des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko. “Das ist ein Grund zur großen Freude für viele ukrainische Orthodoxe. Nun ist eine schwere Last von ihren Schultern gefallen. Diese war umso schwerer, als die moskautreue Kirche ihnen über Jahrzehnte die Gnade Gottes absprach, ihre Sakramente für ungültig erklärte, ihnen das Recht absprach, ein Teil der weltweiten Orthodoxie zu sein”, – erklärt der Theologe Kyryl Hovorun die Bedeutung des Tomos gegenüber der DW.

Der Oberhaupt der neuen ukrainischen Kirche: Metropolit Epiphanius

Die nun unabhängige Orthodoxe Kirche der Ukraine ging erst im Dezember 2018 aus der Vereinigung zweier abtrünniger Gruppen hervor, denen sich auch zwei ehemals moskautreue Bischöfe anschlossen. Zum Kirchenoberhaupt wurde der 39-jährige Metropolit Epiphanius gewählt. Patriarch Bartholomäus besiegelte die ukrainische Unabhängigkeit mit einem kirchenrechtlich gewagten Manöver: Er widerrief kurzerhand einen 350 Jahre alten Erlass eines seiner Vorgänger, der die Ukraine dem russischen Patriarchen zusprach.

Moskau fordert Bartholomäus heraus

Doch Moskau versucht auch weiterhin, die Anerkennung der ukrainischen Kirche zu verhindern. Der russische Patriarch Kirill drohte dem Ökumenischen Patriarchen mit dem “höchsten Gericht” und sprach ihm seine historische Würde ab, “der Erste in der Orthodoxen Welt” zu sein. Russlands Präsident Wladimir Putin unterstellte Bartholomäus, dieser wolle in der Ukraine lediglich “Geld verdienen”. Mit solcher Rhetorik isoliere sich Moskau aber nur selbst, sagt der griechische Politikwissenschaftler Ilias Kouskouvelis von der Universität Thessaloniki. “Der Ökumenische Patriarch besitzt nach wie vor großes Ansehen – nicht nur in Griechenland, sondern in großen Teilen der Orthodoxen Welt”, erklärte Kouskouvelis gegenüber der DW.

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