Wirtschaft

Die Politik denkt über Versicherungen für Bauern nach

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Policen gegen Dürreschäden sind zu teuer, kaum ein Landwirt ist versichert. Zahlt der Staat künftig einen Teil der Prämie?

Der große Hunger: Wenn das Gras vertrocknet, können Landwirte nicht genug Heu für ihre Tiere ernten.

Reinhard Jung hat Sorgen. Wegen der Trockenheit hat er das Heu für seine 40 Rinder dieses Jahr bereits im Mai statt im Juni geerntet. Die Ausbeute war bescheiden: „Ich habe nicht einmal ein Viertel von dem geerntet, was normal wäre“, sagt der Landwirt aus dem brandenburgischen Lennewitz, „das ist frustrierend“. Die Lage sei noch schlimmer als im Dürresommer 2018, weil die Böden in diesem Jahr schon deutlich früher ausgetrocknet seien als vor einem Jahr. Jung, der Vorsitzender des Bauernbunds Brandenburg ist, weiß, dass er mit seinen Problemen nicht allein ist. „Für den ganzen Nordwesten Brandenburgs wird es ein ganz bitteres Jahr“, fürchtet er.

Die große Dürre: Mais und Kartoffeln sind im vergangenen Jahr verdorrt, das Getreide ist auf dem Feld vertrocknet. Besonders der…

Im vergangenen Jahr sind Mais und Kartoffeln auf den Feldern verdorrt

Erneut. Denn bereits im vergangenen Jahr hatte der Nordosten Deutschlands, darunter Brandenburg, zu den größten Opfern der Dürre gehört. Mais und Kartoffeln waren auf den Feldern verdorrt, die zweite und dritte Heuernte fielen aus. Bund und Länder legten ein Nothilfeprogramm über 340 Millionen Euro auf.


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Doch Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) möchte aus diesem Krisenmodus aussteigen. Staatliche Ad-hoc-Hilfen seien „zur dauerhaften Risikoabsicherung ungeeignet“, teilte eine Sprecherin des Ministeriums auf Tagesspiegel-Anfrage mit. Im Ministerium an der Wilhelmstraße denkt man daher verschärft über Alternativen für solche Witterungsrisiken nach, die vom einzelnen Landwirt nicht allein getragen werden können, und über die Frage, ob und wie der Staat den Bauern finanziell hilft. „Im Fokus steht dabei die Ermittlung des finanziellen Bedarfs an Fördermitteln für eventuelle staatliche Zuschüsse zu Versicherungsprämien“, heißt es im Agrarministerium. Die Diskussion sei “ergebnisoffen”.

Bayern will staatlich finanzierte Versicherungen

Einige Bundesländer sind bereits weiter. Bayern und Baden-Württemberg haben kürzlich eine Bundesratsinitiative eingebracht, nach der sich der Staat an Versicherungsprämien für eine sogenannte Mehrgefahrenversicherung beteiligen soll, die nicht nur Schäden durch Hagel, Starkregen oder Überschwemmungen abdeckt, sondern auch Dürre. Denn gegen Trockenheit ist bislang kaum ein Landwirt versichert. Elf Millionen Hektar Agrarfläche gibt es in Deutschland, aber nur 50.000 bis 100.000 Hektar sind davon gegen Dürreschäden abgesichert, weiß Rainer Langner, Chef der Vereinigten Hagelversicherung, die Marktführerin bei Agrarversicherungen ist. Zum Vergleich: Eine Absicherung gegen Hagelschlag haben 75 Prozent der Agrarflächen.

Gegen Hagelschäden sind die meisten Bauern versichert.

Der Grund: Die Prämien für Dürreversicherungen sind hoch, vor allem in Regionen wie Brandenburg, die besonders stark von Trockenheit betroffen sind. Das liegt nicht nur an den hohen Risiken, sondern auch an der Versicherungssteuer von 19 Prozent, die bei Dürrepolicen fällig wird. Versicherungen gegen Hagel, Sturm, Starkregen und Überschwemmungen werden dagegen nur mit einem Steuersatz von 0,3 Promille belegt. Für einen Bauern in Brandenburg heißt das: Wer eine Mehrgefahrenversicherung unter Einschluss von Dürre abschließen will, muss tief in die Tasche greifen. Die Versicherungsprämie dürfte bei 105 Euro im Jahr liegen – pro Hektar, schätzt Langner.

Weniger Steuern für die Versicherung

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat bereits signalisiert, dass er auch bei Dürreversicherungen den niedrigen Steuersatz einführen will. Doch den Bauern reicht das nicht. „Versicherungen sind nur einer von mehreren Bausteinen für das einzelbetriebliche Risikomanagement, dringend notwendig ist darüber hinaus die Möglichkeit zur Risikovorsorge in Form einer steuerlichen Gewinnrücklage“, sagt der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbands, Bernhard Krüsken.

Die meisten EU-Staaten subventionieren Versicherungen für Bauern

Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz und Sachsen wollen den Bauern mit Staatsprämien für Versicherungen helfen. Bayerns Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) verweist auf Österreich, wo Landwirte 50 Prozent der Versicherungsprämie übernehmen, Bund und Länder die andere Hälfte. Ähnliche Modelle gibt es in drei Viertel der EU-Staaten. Die staatliche Förderung beträgt dort bis zu 70 Prozent.

Österreich, hier das Bieltal bei Ischgl, zahlt bereits die Hälfte der Prämie für Mehrgefahrenversicherungen.

Langner, der im Versicherungsverband GDV das Expertennetzwerk Landwirtschaft leitet, hat bereits ausgerechnet, was Bund und Länder in Deutschland zahlen müssten. Sollte der Staat die Hälfte der Prämie für eine Mehrgefahrenversicherung inklusive Dürre übernehmen und sollten 60 Prozent der Landwirte eine solche Versicherung abschließen, läge der staatliche Zuschuss bei 180 bis 250 Millionen Euro im Jahr.

Das wäre günstiger als die Krisenhilfe im vergangenen Jahr, gibt der Versicherungschef zu bedenken. Denn solche Nothilfen müsste der Staat ja nicht mehr zahlen, wenn es eine Versicherung gibt, meint Langner. Auch Deutschlands größter Rückversicherer, die Munich Re, plädiert für eine staatlich geförderte Mehrgefahrenversicherung. Landwirte in Europa müssten immer häufiger mit Hitze- und Trockenperioden im Sommer rechnen, warnen die Klimaforscher der Versicherung.

“Der Bauer ist Unternehmer”, sagt Bauer Jung

Auf der nächsten Agrarministerkonferenz im September soll Julia Klöckner Vorschläge für eine Absicherung der Bauern vorlegen. Ein staatlich unterstütztes Versicherungsmodell stößt aber nicht überall auf Begeisterung. In der Wissenschaft wird kritisiert, dass die Subventionen nicht nur den Bauern zugute kämen, sondern auch der Versicherungswirtschaft. Das sieht auch Bauer Jung so. „Die Versicherer bauen sich ihre Paläste davon“, sagt er. Jung hat Sorge, dass die staatlichen Versicherungsgelder von den Subventionen für die Landwirtschaft abgezwackt werden. „Der Bauer ist Unternehmer“, meint er. Landwirte sollten daher mit Hilfe der staatlichen Unterstützung selbst Vorsorge treffen.

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