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Taiwan wehrt sich gegen Chinas Einflussnahme

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Mit Propaganda und Falschmeldungen in den Sozialmedien will China Taiwan mürbe machen und die Präsidentschaftswahlen 2020 beeinflussen. Kann die Demokratie den Druck aushalten? Klaus Bardenhagen aus Taipeh.

Wang Hao-yu erhielt ein Angebot, das er eigentlich nicht ablehnen konnte: Eine Firma wollte seine Facebook-Seite kaufen, die sich an Mitbürger seiner Heimatstadt Zhongli unweit der Hauptstadt Taipeh richtet. Für den direkten Draht zu mehr als 400.000 Followern bot sie ein mehrfaches durchschnittliches Jahresgehalt. Doch Wang, der für die Grüne Partei im Stadtrat von Taoyuan sitzt, roch Lunte. Das Angebot stammte offensichtlich aus dem Festland China. “Ich bin nicht käuflich”, stellt Wang klar. “Wir dürften unsere Redefreiheit nicht denen ausliefern, die psychologische Kriegsführung gegen Taiwan betreiben.”

Im Januar 2020 stehen Präsidenten- und Parlamentswahlen in Taiwan an. Und die Häufigkeit solcher unmoralischen Angebote offensichtlich aus dem Festland nimmt zu. Eine Facebook-Anzeige warb dafür, gegen Bezahlung Inhalte und Kommentare in sozialen Netzwerken zu verbreiten – mit der Vorgabe, China und chinafreundliche Parteien zu verteidigen und anderslautende Meinungen zu unterdrücken. Doch nicht alle Versuche der Einflussnahme sind so offensichtlich.

Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen (DPP)

China will Taiwan unterminieren

“Das Internet ist genauso eine Waffe der chinesischen Regierung wie ihre Kampfjets und Kriegsschiffe”, reagierte Taiwans Premierminister Su Tseng-chang. Seine Regierungspartei DPP regiert Taiwan seit 2016 und gilt als chinakritisch. Zusammengefasst lauten die Vorwürfe von Geheimdiensten und Behörden: Peking arbeite auf vielen Kanälen daran, das Vertrauen der Taiwaner in ihre staatlichen Institutionen zu zerrütten und Stimmung für chinafreundliche Politiker zu machen. In Taiwans polarisierter Gesellschaft, wo viele Medien eindeutig parteiisch sind und ebenso wie Nutzer Meldungen oft ungeprüft weitergeben, scheint das nicht schwer zu sein.

“Taiwans offene Gesellschaft sieht China als Schwäche”, sagte Jonathan Sullivan vom Institut für Asienforschung der Universität Nottingham der DW. “Die Gefahr der Einflussnahme ist real. Und Taiwan ist nicht annähernd ausreichend darauf vorbereitet.”

Präsidentin unter Druck

“China will unsere Demokratie gegen uns einsetzen”, warnte kürzlich auch Präsidentin Tsai Ing-wen, deren Chance auf eine zweite Amtszeit laut Meinungsumfragen nicht so gut ist. Weil sie Taiwan und die Volksrepublik nicht als Teile des selben Landes bezeichnet, hatte Peking schon nach ihrem Amtsantritt 2016 die Gesprächskanäle abgebrochen und sich darauf verlegt, Tsais Regierung diplomatisch und militärisch unter Druck zu setzen. Die Abwahl ihrer Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) und ein Machtwechsel zurück zur eher chinafreundlichen Partei Kuomintang (KMT) wären auch im Sinne von Chinas Staatschef Xi Jinping, der Anfang Januar bekräftigt hatte, er wolle “Kontrolle über Taiwan” auf jeden Fall haben.

An Hackerangriffen ist Taiwan gewohnt. Desinformationskampagnen zur Beeinflussung des politischen Klimas jedoch standen bis zu landesweiten Regionalwahlen im vergangenen November kaum im Blickpunkt. Dabei hatten Ermittler schon im Vorfeld gezielt lancierte Falschmeldungen sowie Geldflüsse aus dem Ausland an dutzende Kandidaten gemeldet – und an Gangstersyndikate, die oft Agitation für Peking betreiben.

Reich und chinafreundlich? Unternehmer Tsai Eng-meng gehören eine Zeitung und ein TV-Sender auf Taiwan

Medien machen Stimmung

Nachdem die Regionalwahlen Tsais DPP eine überraschend deutliche Niederlage bescherten, gelingt es ihr derzeit nicht, die politische Stimmung wieder zu ändern. Taiwans wirtschaftliche Daten sind von der Beschäftigungsquote bis zur Tarifsteigerung nicht schlecht, doch viele nehmen die Lage anders wahr. Das liegt zum Teil an Politik- und Kommunikationsfehlern von Tsai, aber auch die Massenmedien spielen eine wichtige Rolle.

Viele große Nachrichtensender und Zeitungen auf Taiwan gehören schwerreichen Unternehmern, die ihr Vermögen mit Fabriken in China verdient haben und oft im Sinne Pekings Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung nehmen. “Es ist ganz klar, dass ihre Position der chinesischen Regierung entspricht und dass sie von China unterstützt werden”, sagte Politikprofessor Chen Shih-min von der Nationalen Taiwan-Universität der DW. “Und sie versuchen auch, Wahlen zu beeinflussen.” Als Paradebeispiel gilt der schwerreiche Kaufmann Tsai Eng-meng, dessen Lebensmittelkonzern Want Want Group mit Sitz in Shanghai jährlich in China umgerechnet 25 Milliarden Euro umsetzt. Ihm gehören zum Beispiel die Zeitung “China Times” und der Sender CTI gehören.

Han Kuo-yu, KMT-Kandidat für 2020

Phänomen Han Kuo-yu

Wie unverhohlen CTI und einige andere Kanäle Partei ergreifen, zeigt ihr Trommeln für Han Kuo-yu als Präsidentschaftskandidat der KMT. Seit Han mit einer populistischen Kampagne im November überraschend die Bürgermeisterwahl der Metropole Kaohsiung gewann, bauen Medien ihn mit pausenloser unkritischer Berichterstattung zum nationalen Hoffnungsträger auf. Dass Nachrichtenkanäle wie CTI über jeden Auftritt von Han in Dauerschleife berichten, während Präsidentin Tsai kaum vorkommt, darüber machen viele in Taiwan sich lustig. Aber es zeigt offenbar Wirkung.

Nach jüngsten Umfragen hat Han, der vor einem Jahr noch kaum bekannt war, beste Chance auf die Präsidentschaft. Da sein Programm vor allem auf mehr wirtschaftliche Verflechtung mit China hinausläuft, gilt er auch als Wunschkandidat Pekings. Ende März traf Han – ohne Absprache mit Taiwans Zentralregierung – den Chef des Büros für Taiwan-Angelegenheiten beim chinesischen Staatsrat auf dem Festland. Seine Kritiker sehen dabei ein Bewerbungsgespräch um das Präsidialamt in Taipeh, oder zumindest ein Vorstellungsgespräch.

Taiwans Medienaufsicht rügte die übermäßige Han-Berichterstattung bei CTI und verhängte wegen Falschmeldungen einige Zahlungen über umgerechnet 30.000 Euro. Für den Inhaber Tsai Eng-meng ist es keine spürbare Strafe. Dass er sich direkt nach Anweisungen aus Peking richtet, wird immer wieder behauptet, konnte aber nie belegt werden.

Wenig konsequente Verfolgung, zu milde Sanktionen und keine handfesten Beweise – daran krankt Taiwans Gegenwehr generell. “Taiwan braucht dringend umfassende Gesetzgebung, um den verschiedenen Formen chinesischer Einflussnahme standhalten zu können”, sagte Chinaexperte Sullivan. “Das hätte schon vor Jahren passieren müssen. Ein paar Monate vor den Wahlen lässt sich nicht mehr viel ändern.”

Reformen in letzter Minute

Tatsächlich versucht die DPP-Mehrheit derzeit, viele Verschärfungen und neue Gesetze durchs Parlament zu bringen. Manches ergeht sich in Details. So beschlossen die Abgeordneten am Dienstag (7.5.), das Verbreiten von Falschmeldungen härter zu bestrafen.

Drei-Viertel-Mehrheit im Parlament (Bild) plus Referendum für ein Friedensabkommen mit China?

Ein größerer Wurf war am selben Tag die Neufassung des Hochverratsparagraphen im Strafgesetzbuch. Obwohl China die einzige konkrete Bedrohung für Taiwan darstellt, gilt für seine Spione und Agenten bislang dieser Straftatbestand nicht, denn nach der geltenden Verfassung in Taiwan ist das Festland China kein Ausland. So konnte ein ehemaliger Vizeadmiral, der für China spioniert hatte, 2014 nur wegen Gefährdung der Staatssicherheit mit einer milden Haftstrafe von 14 Monaten verurteilt werden. Nach der Gesetzesänderung können nun auch solche Fälle wegen Hochverrats angeklagt werden, der mit der Todesstrafe geahndet werden kann.

Besondere Tragweite könnte ein Gesetzentwurf erlangen, über den noch im Parlament abgestimmt wird. Im Mittelpunkt des Entwurfs steht das künftige politische Abkommen mit dem Festland. Die DPP befürchtet, dass ein KMT-Präsident die Nähe zu Peking suchen und unter dem Mantel eines “Friedensabkommens” politische Zugeständnisse machen könnte, die Taiwan unumkehrbar an die Volksrepublik binden. Das Gesetz soll hohe Hürden schaffen. So müsste das Parlament vor und nach politischen Verhandlungen mit einer Drei-Viertel-Mehrheit zustimmen. Auch ein Referendum muss abgehalten werden. Wie eine “Firewall” solle das Gesetz dafür sorgen, dass keine einzelne Partei Taiwans Souveränität als Verhandlungsmasse nutzen könne, sagte der für China zuständige Minister Chen Ming-tong.

 

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