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“Der erste wirkliche Wellenschlag in Teheran”

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Irans Außenminister Mohammed Dschawad Sarif will seinen Posten räumen. Welche Auswirkungen sein möglicher Rücktritt für Israel und das iranische Atomabkommen hätte, erklärt Nahost-Experte Udo Steinbach im DW-Interview.

Noch-Außenminister Mohammed Dschawad Sarif (li.) und Präsident Hassan Ruhani (Archivbild)

Frage: Irans Außenminister Mohammed Dschwad Sarif hat auf Instagram seinen Rücktritt angekündigt, noch ist aber unklar, ob Präsident Ruhani diesen akzeptiert. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat auf Twitter geschrieben: “Ein Glück, dass wir ihn los sind”. Wieso freut sich Netanjahu so über Sarifs angekündigten Rückzug?

Weil Sarif immer der Mann Irans gegenüber der internationalen Gemeinschaft war. Sarif steht für den Abschluss des Atomabkommens, das ja von Israel, von Netanjahu, radikal bekämpft worden ist. Wenn dieser Mann jetzt zurücktritt, nimmt Netanjahu damit an, dass es zu einer Verschärfung der Spannungen zwischen Iran und der internationalen Gemeinschaft über das Atomabkommen kommt und dass die internationale Gemeinschaft damit immer stärker ins israelische und amerikanische Lager gedrückt wird.

Sie haben es angedeutet, Sarif galt immer als das freundliche, das moderate Gesicht des Iran, er ist kein Hardliner. Könnte man da auf israelischer Seit nicht auch froh sein, jemanden wie ihn im Außenministerium zu haben?

Das Problem für die Israelis war ja, dass Sarif der internationalen Gemeinschaft tatsächlich etwas verkauft hat, nämlich das Atomabkommen von iranischer Seite. Und jetzt sehen die Israelis da viel klarere Fronten. Sie sehen langsam, dass im Iran die Hardliner die Macht übernehmen könnten, dass damit die Spannungen zwischen Iran und der internationalen Gemeinschaft wachsen – auch zwischen Iran und Israel, auch, was das Raketenprogramm betrifft. Israel sieht es so, dass es damit einen sehr viel leichteren Stand hat, eine militante Politik gegenüber Iran durchzusetzen. Das war unter Sarif nur schwer möglich und Netanjahu denkt, das würde jetzt einfacher werden.

Benjamin Netanjahu wäre froh über Sarifs Rücktritt

Was glauben Sie, welche Auswirkungen es für Israel haben würde, wenn Sarif wirklich zurücktritt?

Im Augenblick würde ich noch nicht darüber spekulieren, was das für Auswirkungen auf Israel hat. Ich denke, was wir jetzt sehen, egal, ob der Rücktritt angenommen wird, oder nicht, ist der erste wirkliche Wellenschlag in Teheran. Auf die Verschärfung der Sanktionen im November letzten Jahres hat es ja noch keine klare Antwort gegeben in Iran – weder innenpolitisch noch außenpolitisch. Und jetzt könnte es in der Tat sein, dass Sarif zurücktritt, weil er befürchtet, dass seine Politik des Ausgleichs mit dem Westen nicht länger akzeptiert wird, dass er befürchtet, dass die Radikalen wieder stärker das Sagen haben könnten. Aber das ist zunächst eine innenpolitische Verwerfung. Inwieweit sich das transformieren wird, das werden die nächsten Wochen und Monate zeigen. Aber insgesamt denke ich tatsächlich, dass die Machtübernahme durch die Hardliner eine Verschärfung der konfrontativen Politik zwischen Iran und der internationalen Gemeinschaft, Iran und Amerika und vor allen Dingen auch Iran und Israel darstellen könnte.

Was bedeutet es für die Zukunft des Atomdeals, wenn sich der Gestalter des Atomabkommens zurückzieht?

Da steht es natürlich nicht allzu gut. Aber die Iraner warten natürlich noch immer ab, was die Europäer tun. Und die Europäer haben etwas sehr Wichtiges getan, als sie eine Art Handelsabkommen geknüpft haben, über das sie weiterhin mit Iran Handel und Wandel treiben können. Und das ist nicht unwichtig für die iranische Gesellschaft insgesamt. Jeder, der in Iran der Regierung angehört, muss das in Betracht ziehen, dass dieses Abkommen zumindest theoretisch bei einem großen Teil der iranischen Öffentlichkeit positiv angesehen worden ist, auch bei den Moderaten in Iran. Wer auch immer die iranische Politik gestalten wird in den nächsten Monaten, wird nicht daran vorbeikommen, dass die Europäer hier sehr viel guten Willen gezeigt haben und dass sie sehr entschlossen waren, sich der militanten amerikanischen und israelischen Politik entgegenzustellen.

Nahost-Experte Udo Steinbach

Das heißt, das Atomabkommen wird weiter unter Druck sein, aber es hieße noch nicht das Ende für das Abkommen, wenn Sarif zurücktreten würde.

Genau. Wenn die Radikalen in Teheran allerdings tatsächlich die Dinge übertreiben sollten, wenn der Druck und die Provokationen aus Teheran zu groß werden – sagen wir mal dadurch, dass man weiter im Ausland Oppositionelle verfolgt oder dass man das Raketenprogramm überzieht – dann wäre auch die Position der Europäer geschwächt, dann wäre die Position der Gemäßigten insgesamt geschwächt. Das könnte dann tatsächlich bedeuten, dass das Atomabkommen auf der Strecke bleibt.

Auch wenn Ruhani Sarifs Rücktrittsgesuch erst einmal nicht annehmen wollte: Könnte Sarif vielleicht auch ein Opfer sein, das Ruhani bringen muss, um an der Regierung zu bleiben?

Ganz ohne Zweifel. Ruhani hat in den letzten Wochen gezeigt, dass er sich den Hardlinern weiter annähert. Er will ja seine Amtszeit ordentlich zu Ende bringen. Und er hat noch einen weitergehenden Ehrgeiz: Falls der Oberste Revolutionsführer stirbt, dann liebäugelt er mit dem Gedanken, dessen Nachfolge anzutreten. Ruhani wird also eine Politik verfolgen, die am Ende sozusagen den stärksten Bataillonen nachgibt. Und wenn das die Hardliner sind – dann ist es ebenso. Und dann bleibt tatsächlich ein Mann wie Sarif auf der Strecke.

 

Udo Steinbach ist eremitierter Islamwissenschaftler. Er war unter anderem Leiter des Deutschen Orient-Insituts und Direktor des GIGA-Instituts für Nahoststudien.

 

Das Interview führte Rahel Klein.

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